Die Stadt Aachen begeht einen festlichen Tag, den Tag, an dem einem hervorragenden Manne die Ehren des internationalen Karlspreises für das Jahr 1957 zuteil werden sollen. Mit den Bürgern der Stadt haben sich zahlreiche Gäste auf unsere Einladung hier eingefunden, weil auch sie die innere Berechtigung dieser Ehrung mit uns empfinden, weil sie von der lebenswichtigen Bedeutung der Sache, um die es hier geht, durchdrungen sind und weil sie mit uns dem verdienstvollen Wirken des Mannes, der im Mittelpunkt der heutigen Feier steht, Anerkennung zollen. So erlauben sie mir denn zunächst namens des Direktoriums für die Verleihung des Internationalen Karlspreises und namens der Stadt Aachen diese unsere Gäste voll Freude willkommen zu heißen:
Ich begrüße zunächst mit besonderer Herzlichkeit den Träger des Karlspreises 1951, Herrn Prof. Brugmans und den Träger des Karlspreises 1953, Herrn Jean Monnet, sowie den erwählten Preisträger 1957 Herrn Paul Henri Spaak.
Sodann begrüße ich die hier anwesenden Mitglieder des Diplomatischen Corps:
Die Herren Botschafter der Niederlande, Belgiens, Österreichs, Griechenlands, Italiens, Luxemburgs, Frankreichs, Islands, den Herrn Gesandten Irlands, die Herren Geschäftsträger Schwedens und der Schweiz sowie den Leiter der Handelsvertretung der Republik Finnland, und in Vertretung der königlich belgischen Regierung Herrn Außenminister Larock und Herrn Arbeitsminister Troclet und in Vertretung der Deutschen Bundesregierung Herrn Vizekanzler Blücher.
Wir freuen uns ferner der Anwesenheit der Herren Staatssekretäre Dr. Globke, Dr. Wanderleb und Thedieck sowie vom Landtage des Landes Nordrhein-Westfalen Herrn Präsidenten Gockel und von seiner Regierung für den Herrn Ministerpräsidenten dessen Stellvertreter Herrn Finanzminister Weyer und Herrn Kultusminister Dr. Luchtenberg sowie des Herrn Staatssekretär Bleibtreu, des Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, Herrn Finanzminister a. D. Dr. Weitz, des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages Herrn Vorwerk.
Ich begrüße weiterhin den Präsidenten der beratenden Versammlung des Europa Rates Herrn Senator Dehousse und den Vizepräsidenten der gleichen Versammlung, Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Kiesinger, sowie den Sprecher der deutschen Delegation, Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Pünder.
Weiterhin den Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Herrn Prof. Dr. Furler und den Vizepräsidenten der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Herrn Etzel.
Zu unserer großen Freude sind zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten aus dem Lande des Preisträgers, unserem belgischen Nachbarlande, unserer Einladung gefolgt, unter denen ich namentlich erwähnen darf den Herrn Gouverneur der belgischen Provinz Lüttich, Herrn Glendant den Herrn Gouverneur der belgischen Provinz Limburg, Herrn Roppe, sowie den Präsidenten der Association Grand Liège Herrn Thone. Begrüßen darf ich ferner die Herren Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Belgien und bei der NATO, die Herren Vertreter der beiden Christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde, den Herrn Präsidenten der Europaunion in Deutschland, Herrn Dr. Friedländer, zahlreiche Mitglieder des Deutschen Bundestags und des Landtages von Nordrhein-Westfalen und des Konsularcorps, den Herrn Regierungspräsidenten von Aachen, Rektor und Senat der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, mehrere Oberbürgermeister und Oberstadtdirektoren benachbarter Städte und Landräte sowie Oberkreisdirektoren in den benachbarten Kreisen.
In der Anwesenheit so vieler hervorragender Vertreter des politischen Lebens Europas sehen wir eine umfassende Bestätigung der Gedanken, die dem Karlspreise zu Grunde liegen. Wenn diejenigen unter uns, die seit dem Jahre 1950 die Feierlichkeiten der Verleihung ausnahmslos miterlebt haben, diese vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen lassen, so werden sie aus dieser Erinnerung vieles ablesen können, was in den letzten sieben Jahren für die Entwicklung des Europagedankens sehr wesentlich gewesen ist: Das noch unmittelbar im Bewußtsein jedes einzelne vorherrschende Erlebnis des Krieges mit all seinen Furchtbarkeiten lenkte die Gedanken auf den schon seit Jahrzehnten durch sein rastloses Wirken für den Zusammenschluß der Völker Europas bekannten Grafen Coudenhove-Kalergi, der mit voller Berechtigung daher auch der erste Träger dieses Preises wurde.
Wie aber sollte ein einiges Europa entstehen, wie sollten die notwendigen übernationalen Einrichtungen aufgebaut werden, wenn wir nicht über eine Jugend verfügten, deren Kenntnisse weitgehend über die Grenzen des Heimatlandes hinausgingen? Aus dieser Erwägung schuf man das Europa-Kolleg in Brugge und stellte an seine Spitze einen Mann, der selbst durch und durch Europäer ist: den niederländischen Wissenschaftler Hendrik Brugmans, der 1951 den Karlspreis erhielt.
Immer mehr trat das Streben nach Einigung Europas in den Vordergrund auch der Tagespolitik. Das Wirken mancher Politiker, die maßgebend für den Ablauf der Ereignisse sein sollten, stand im Zeichen dieses Gedankens, weil sie selbst von seiner zwingenden kraft durchdrungen waren; unter ihnen standen die Karlspreisträger Alcide de Gaspari, der leider schon verstorbene italienische Ministerpräsident, Konrad Adenauer und Sir Winston Churchill in vorderster Reihe. Die erste europäische Realität die geschaffen wurde, ist die auf dem Schuman-Plan basierende Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, deren geistiger Urheber, Jean Monnet, ebenfalls die Ehre des Karlspreises zuteil wurde.
Die Aufzählung dieser Namen vergegenwärtigt uns ein ganzes Programm; gleichzeitig wird aber auch die Erinnerung wach an Geschehnissen, die im Lichte des Europäischen Gedankens sehr negativ zu werten sind. Dem aufmerksamen Beobachter konnte es nicht entgehen, daß wir noch weit entfernt sind von der Vernichtung der während mehr als einem Jahrhundert mit solchem Eifer ausgestreuten Saat des Nationalismus, der von Generationen mit fast religiöser Inbrunst gepflegt wurde. Wer ihm nicht zu huldigen bereit war, galt als charakterlich minderwertig und fiel der Verfemung anheim. Diese Kräfte leben auch heute noch in allen Völkern und sie erschweren überall den Zusammenschluß. Wir alle haben die tiefe Enttäuschung über das Scheitern der europäischen Verteidigungsgemeinschaft miterlebt und wir wissen auch, welche Schwierigkeiten in allen Ländern den auf die Einigung drängenden Kräften aus wirtschaftsegoistischen Überlegungen bereitet werden. Niemand übersieht die Tatsache, daß sich in jedem Lande aus der Beseitigung der für die Nationalwirtschaften errichteten Schutzwände Schwierigkeiten ergeben werden, daß es ohne Opfer nicht geht, ebensowenig läßt es sich aber auch bestreiten, daß die der Gesamtheit erwachsenden Vorteile alle möglichen Schwierigkeiten weit übertreffen. Insofern bringt auch die rein wirtschaftliche Rechnung ein durchaus positives Ergebnis, ganz abgesehen davon, daß die erzielte politische Stabilität auch für die Wirtschaft von ganz unermeßlichem Wert ist.
Die wirtschaftlichen Argumente der heute noch lebenden Nationalisten werden allein dadurch ad absurdum geführt, daß sie sich in allen Ländern zu Wort melden, wodurch genugsam bewiesen ist, daß überall neben den Opfern Gewinne stehen. Je mehr Zeit vergeht, um so weniger wagt der Nationalist sein wahres Gesicht zu zeigen, da müssen dann ökonomische Vorwände herhalten; auch diese verlieren immer mehr an Zugkraft. Trotzdem heißt es wachsam bleiben, denn diese Krankheit bleibt gefährlich für die Völker Europas, bis der letzte Bazillus vernichtet ist.
Trotz aller Ernüchterung und aller Rückschläge, die die letzten Jahre dem Bestreben zur Einigung Europas beschert haben, läßt sich nicht leugnen, daß wir in neuester Zeit gewaltige Fortschritte gemacht haben. Der 25. März 1957, der Tag, an dem die Verträge über den gemeinsamen Markt und Euratom in Rom unterzeichnet wurden, wird in die Geschichte eingehen, und jeder, der ihn künftig erwähnt, wird einen Namen gleichzeitig nennen: den Namen Paul Henri Spaak, den Namen des Mannes, dem zu Ehren wir uns heute hier versammelt haben. In kultiviertem hause der weltoffenen Stadt Brüssel groß geworden, mußte er als Fünfzehnjähriger erleben, daß sein Vaterland in den Mittelpunkt der kriegerischen Ereignisse der Jahre 1914 - 1918 gestellt wurde. Ein Jahr später endete der Weg, der ihn in die Reihen der Verteidiger des eignen Vaterlandes führen sollte, im deutschen Kriegsgefangenenlager, in dem er zwei Jahre zubringen sollte. Das dann begonnene Studium der Rechtswissenschaften führte ihn zum Brüsseler Burreau in dessen Chronik schon der Name seines Großvaters Paul Janson in Ehren genannt wurde. Von glühender Anteilnahme für die Ereignisse des öffentlichen Lebens erfüllt, ging er schon frühzeitig den Weg zur Politik und wußte sich durch seine Beredsamkeit und seinen Geist Gehör zu verschaffen.
Es ist überflüssig hier die vielfachen Stationen des steilen Aufstieges einer politischen Karriere, die ihresgleichen sucht, nachzuzeichnen. Von besonderer Bedeutung war für seinen Werdegang der zweite Weltkrieg, der seinem Vaterlande neuerdings furchtbare Leiden zufügte. Er hat die Fahne des Widerstandes hochgehalten bis zum letzten Tage, bis er mit seinen Getreuen aus dem Londoner Exil in die Heimat zurückkehren konnte. In dieser Londoner Zeit, während der Lärm der Waffen tobte, galt sein Trachten schon der Bereitung besserer Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit; als greifbares Ergebnis brachte er den am 4. September 1944 unterzeichneten Beneluxvertrag, der das gesuchte Ziel über die Ausbreitung der engen Grenzen des eigenen Wirtschaftsgebietes anstrebt. Was hier auf dem verhältnismäßig engen Raum der Niederlande und der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion begonnen wurde, wies ihm den Weg für sein ferneres Streben, und gerade die hier gemachte Erfahrung, die bei der praktischen Verwirklichung des Vertragswerkes solch eine Unzahl von Schwierigkeiten registrierte, ließ ihn an seine weiter gesteckten Ziele mit dem notwendigen Realismus herangehen. Er hatte gelernt, daß ein eiserner Wille und ein ideenreicher Geist dazu nötig sind, um der Einigung zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Eigenschaften hat Paul Henri Spaak seit zehn Jahren ununterbrochen in den Dienst der europäischen Einigung gestellt. Er hat sich nicht entmutigen lassen, hat immer wieder Mitstreiter gefunden und auf der Konferenz von Messina jenen grundsätzlichen Beschluß erwirkt, der ihm dann die Möglichkeit gab, die vielfältigen Gaben seines umfassenden Verstandes, seine diplomatischen Qualitäten und seinen unbeugsamen Willen in unvorstellbarer Kleinarbeit für das Gelingen dieses Werkes einzusetzen, das dann tatsächlich an dem schon erwähnten 25. März dieses Jahres in Rom seine Krönung erlebte. Paul Henri Spaak wäre kein Realist, wenn er glauben würde, daß nun eine Patentlösung gefunden sei, daß nun der Weg endgültig frei und keine Widerstände mehr zu erwarten seien. Gerade weil er das nicht glaubt, dürfen wir in ihn das Vertrauen setzen, daß er trotz allem das Werk zum guten Ende führen wird.
En vous adressant la parole, Monsieur Spaak, je tiens à vous dire tout d'abord que les citoyens de cette ville voisine de votre patrie éprouvent une vive satisfaction du fait, qu'en votre personne ils honorent non seulement l'un des maà®tres maçons sur le chantier d'une Europe unie, mais aussi l'éminent représentant d'une nation liée à nous par d'innombrables chaà®nes de sang et d'amitié. Cette ville garde et chérit des souvenirs qu'elle est heureuse de partager avec votre pays: Charlemagne, fils de terre liégeoise, construisit et conserva d'ici un empire comprenant toute l'Europe civilisée d'alors; cette ville fut chère, vers le milieu du XIVe siècle, au noble empereur issu de la Maison de Luxembourg dont la vénération fervente qu'il voua à son grand prédécesseur l'ameny à abandonner son nom de baptàªme, Wencel, pour survivre dans les annales de l'Occident sous le nom de Charles IV. En 11356, par l'octroi de la Bulle d'Or, il confirma l'antique prérogative d'Aix-la-Chapelle qui en fit le lieu du sacre des rois d'Allemagne. Deux siècles plus loin, un autre Charles lia son nom de façon intime à l'histoire de cette ville: né à Gand, Charles-Quint reçut - encore adolescent - à Bruxelles l'hommage des Flandres et feta, en 1520, son banquet de couronnement dans cette salle qui nous abrite en ce moment.
Vous savez combien nous tiennent au c?ur les relations séculaires qui marquent l'histoire de ville d'Aix- et de Liège; vous savez, de màªme, d'authenticité de la sympathie qui rapproche Aix de la ville d'Anvers; et vous n'ignorez point que mes concitoyens, conscients des devoirs qu'impose une tradition millénaire, sont soucieux d'écarter tout préjugé nationaliste et n'aspirent qu'à paix et amitié. C'est ainsi que cette d'Aix ressent des devoirs particuliers envers ses voisins; elle se félicite de ce beau jour qui lui permet de rendr4e hommage au génie belge - et cela d'autant plus qu'elle n'a nullement oublié que vous vous-màªme, Monsieur Spaak, en sortant des années de guerre si cruelles pur votre patrie, avez su résister à la tentation de la dédommager par des revendications territoriales.
La Belgique ne ferait partie de cette Europe à la fois si vénérable et si vulnérable par son passé, si elle était tout à fait dépourvue d'éléments qui vous l'ont rendu dur de vous élever au-dessus de l'égoà¯sme nationaliste. Vos avez eu à faire face à des compatriotes qui ont hésité à vous suivre sur cette voie de la raison qui nous mènera vers l'accomplissement de l'un des grands désirs de notre age: la paix pour l'Europe, maudite depuis de siècles à noyer ses plus beaux espoirs dans le sang de ses meilleurs.
Il y a quelques semaines vous avez eu la satisfaction de recueillir au parlement, lors de votre départ du Ministère des Affaires Etrangères, le témoignage de reconnaissance de ce que vous avez fait pour l'Europe màªme de la bouche de vos adversaires politiques. Convaincu d'àªtre appelé par le destin à terminer l'?uvre européenne, vous avez quitté la terre belge qui nourrit les racines de votre prestige politique pour labourer un champ o๠vous croyez mieux servir votre mission supranationale. En renonçant aux aisances de sà»reté personnelle vous avez accepté, pour vous-màªme, de risque, pour que les peuples d'Europe, libérés à jamais des risques d'un fratricide, pussent trouver leur sà»reté. Les peuples d'Europe, dans l'espérance fervente que cette ?uvre s'accomplisse, bénissent votre entreprise hardie. Que la communauté du vouloir qui anime vos projets et ceux d'un Konrad Adenauer leur garantisse plein succès! C'est le v?u qui, comblé d'une gratitude émue de tout ce que vous avez déjà fait pur cette ?uvre, a décidé le directorium de la Société du Prix International Charlemagne de la Ville d'Aix-la-Chapelle à vous décerner ce prix pour l'an 1957.
Wenn ich mich nun an Sie selbst wenden dar, Herr Spaak, dann darf ich mir erlauben Ihnen - abgesehen von all unserer Liebe zum Werk der europäischen Einigung - zunächst zu sagen daß wir Bürger dieser Ihrem Vaterlande benachbarten Stadt Aachen eine ganz außerordentliche Freude empfinden, in Ihnen den hervorragenden Angehörigen eines Volkes zu ehren, dem wir uns durch unzählige Bande des Blutes und der Freundschaft verbunden fühlen.
In dieser Stadt lebt bis zum heutigen Tage die Erinnerung fort, an Männer, deren geschichtliches Wirken auch für Ihre Heimat vieles bedeutet: Von Aachen aus hat der in Lüttich geborene große Kaiser Karl einem Reich geboten, daß das gesamte zivilisierte Europa seiner Zeit umfaßte. Mehr als ein halbes Jahrtausend nach seinem Tode weilte in der Mitte des 14. Jahrhunderts hier häufiger als die meisten deutschen Könige der auf den Namen Wenzel getaufte Herrscher aus dem Hause Luxemburg, der in seiner glühenden Verehrung für den großen Vorgänger dessen Namen annahm und als Karl IV. den Thron bestieg. In seiner im Jahre 1356 erlassenen Goldenen Bulle verbriefte er Aachen das schon so viele Jahrhunderte innegehabte Privileg, Krönungsstätte zu sein.
Wieder 200 Jahre später ist noch ein anderer Karl mit der Geschichte dieser Stadt engstens verbunden gewesen: jener in Gent geborene fünfte Karl, dem schon in jungen Jahren in Brüssel die Völker der Niederlande gehuldigt; er feierte im Jahre 1520 sein Krönungsmahl in diesem gleichen Raum, in dem wir uns hier befinden.
Sie werden wissen in unseren Tagen um die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu Ihrer uns in einer Jahrhunderte währenden Geschichte verbundenen Stadt Lüttich und Sie werden auch wissen um die lebhaften Verbindungen zwischen Aachen und Antwerpen und schließlich wurde Ihnen nicht unbekannt sein, daß hier ein Volk lebt, das, der Tradition einer großen Vergangenheit verpflichtet, frei von nationalen Vorurteilen, Freundschaft sucht und den Frieden ersehnt. So fühlt gerade diese Stadt Aachen sich ihren Nachbarn verpflichtet und ergreift die Gelegenheit, dem Genius des Nachbarvolkes zu huldigen. Sie tut dies um so lieber, als sie sich in Dankbarkeit daran erinnert, daß Sie, Herr Spaak, am Ende der für Ihr Vaterland so bitteren Kriegsjahre der Versuchung widerstanden haben, durch die Annexion eines Teiles unserer Landschaft Ihrem Lande Wiedergutmachung zu verschaffen.
Ihr Vaterland wäre kein Teil dieses in seiner Geschichte ehrwürdigen und durch diese gleiche Geschichte doch auch wieder vorbelasteten Europa, wenn es nicht unter Ihren Landsleuten solche gäbe, die es Ihnen schwer gemacht haben, sich über den nationalen Egoismus zu erheben. Sie haben dies trotzdem getan und vielleicht nicht das Verständnis aller Kreise Ihres Volkes gefunden. Sie sind diesen Weg unbeirrt gegangen, den Weg der Vernunft, der außerdem aber auch in eine Richtung führt, an deren Horizont wir die Erfüllung einer großen Sehnsucht zu sehen glauben: die Befriedung eines Erdteils, dessen Fluch es in Jahrhunderten gewesen, seine schönsten Hoffnungen im Blute seiner Besten zu ertränken. Sie haben vor wenigen Wochen die Genugtuung erlebt, daß Ihnen der Sie aus einer politischen Partei hervorgegangen sind, bei Ihrer Verabschiedung als Außenminister durch das Parlament die Sprecher Ihrer politischen Gegner aufrichtigen Dank und Anerkennung gezollt haben um dessentwillen, das Sie für Europa getan. Ausgehend von der Überzeugung, daß das Schicksal Ihnen die Vollendung dieses Werkes aufgegeben, haben Sie den sicher umhegten Raum des eigenen Vaterlandes, in dem Ihr Ansehen fest begründet, verlassen und ein Tätigkeitsfeld gesucht, auf dem Sie Ihrer übernationale Aufgabe besser diesen zu können glauben. Für die eigene Person haben Sie auf die Sicherheit verzichtet und das Risiko auf sich genommen, damit die Völker Europas, vom Risiko des Bruderkampfes für immer befreit, Sicherheit finden. In der glühenden Hoffnung, daß dieses Werk gelinge, begleiten diese Völker Ihre Arbeit mit ihren Segenswünschen. Möge die Gemeinsamkeit des Wollens mit Männern wie Konrad Adenauer Ihrem Streben Gelingen geben. Dieser Wunsch, vereint mit zutiefst empfundener Dankbarkeit für all das, was Sie für dieses Werk getan, hat das Direktorium für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachenveranlaßt, Ihnen diesen Preis für das Jahr 1957 zuzuerkennen.