Rede des jordanischen Königs Abdullah II. Ibn Al-Hussein

Rede des jordanischen Königs S. M. Abdullah II ibn Al-Hussein

Bismillah ar-Rahman ar-Rahim
Oberbürgermeister Philipp,
Dr. Linden,
[Eure Majestät,]
Präsident Gauck,
[Präsident Hollande,]
Exzellenzen,
Präsident Schulz, mein Freund,

Vielen Dank. Es ist eine Ehre, diese historische Stadt zu besuchen und Teil dieses Anlasses zu sein. Aachen, Sitz des Europas Karls des Großen, ist heute dafür berühmt, ein Verfechter von Einheit und Frieden im modernen Europa zu sein.

Ich möchte insbesondere dem Direktorium für die Einladung danken, an den Feierlichkeiten dieses Jahres teilzunehmen. Ich komme aus Jordanien zu Ihnen, einem Freund und Nachbarn Europas, um einem Mann Anerkennung zu zollen, der unserer gesamten Region ein Freund und Nachbar ist. Präsident Schulz, erlauben Sie mir, Ihnen heute im Rahmen so vieler unsere Glückwünsche zu überbringen.

Meine Damen und Herren,

Ich brauche Ihnen nichts von den tief verwurzelten Interessen zu erzählen, die Europa, der Mittlere Osten und Nordafrika gemeinsam haben. Was in einer unserer Regionen geschieht. kann sich direkt auf etwas auswirken, das in der anderen geschieht, und das ist häufig auch der Fall. Menschen, Güter und Ideen fließen zwischen uns wie zwischen allen Nachbarn. Aber wie jede Nachbarschaft sind wir auch mit gemeinsamen Gefahren konfrontiert.

Isolierung ist keine Antwort. Mauern sind keine Antwort. Misstrauen gegenüber dem anderen ist keine Antwort. Wie Europa es gezeigt und Martin Schulz es bestätigt hat, werden Frieden und Wohlstand nur durch ein Miteinander, in einer Partnerschaft gemeinsamer Stärken, auf der Grundlage gegenseitiger Achtung gesichert.

Von Anfang an hat die EU eine ‚besondere Beziehung’ zu ihren Nachbarländern und auch uns, Ihren südlichen Nachbarn, anerkannt. Wie Präsident Schulz es deutlich gemacht hat, fordert diese Beziehung unser gemeinsames Handeln an vielen Fronten.

Zu allererst geht es um die bloße Verteidigung des Prinzips der gegenseitigen Achtung. Hass- und der Gewaltideologien töten das Miteinander und heizen die Islamfeindlichkeit an. Solche Spaltungen spielen gewalttätigen Extremisten nur in die Hände. Sie untergraben die Beiträge guter Bürger - der weit überwiegenden Mehrzahl der europäischen Muslime.

Viele Europäer in der EU und in allen Gesellschaften arbeiten daran, gegen solches Unrecht anzugehen. Wir müssen weiter gemeinsam daran arbeiten. Jordanien ist ein muslimisches Land mit einer dort tief verwurzelten christlichen Gemeinschaft. Wir zählen die Achtung der Menschenwürde zu unseren fundamentalsten nationalen Werten von Toleranz und Mäßigung. Unser Land war führend in einem weltweiten interreligiösen Dialog, und wir werden eng mit Europa als Freund und Partner zusammenarbeiten, um diesen Dialog zu stärken.

Ein weiterer Bereich der Solidarität ist die Abwehr von Terrorismus. In meiner Region und anderorts sehen wir die verheerenden Auswirkungen auf sozialen Frieden und Zusammenhalt durch die Khawarij, die Gesetzlosen des Islam. Die arabische Welt und Europa sind vereint in ihrer Ablehnung dieser Verbrecher und ihrer schändlichen Taten. In Paris, in Tunis, in Amman, in Straßburg und am Brandenburger Tor und vielen anderen Orten haben die Menschen zusammen gestanden, um unsere gemeinsamen Werte hochzuhalten.

Terroristen respektieren keine Grenzen. Unsere Abwehr muss ebenso international und fokussiert sein. Dabei spielt die EU eine entscheidende Rolle. Präsident Schulz hat zu einer weltweiten Partnerschaft gegen den Terrorismus aufgerufen. Ich weiß, dass unsere Zusammenarbeit sich in allen Bereichen auch in der nächsten Zeit weiter verstärken wird.

Ich muss auch ein Wort zur EU-Partnerschaft in Wirtschaftsfragen sagen. In der arabischen Welt machen junge Menschen 65 Prozent der Bevölkerung aus. Zu viele von ihnen haben schon am Anfang ihres Lebens zu geringe Chancen. Fehlende Arbeit, fehlende Hoffnung machen junge Menschen zu Zielen für Radikale. Unsere Jugend verdient bessere Möglichkeiten, Möglichkeiten, die ihr das geben, was sie wirklich braucht: gute Arbeitsplätze und gute Zukunftsaussichten, und gefestigte Gemeinschaften, um ein erfülltes Leben aufzubauen. Auch junge Europäer verdienen dies. Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist der Schlüssel, um diese Bedürfnisse zu erfüllen.

Präsident Schulz, ich möchte meine Anerkennung für die Unterstützung des Europäischen Parlaments in diesen Fragen aussprechen. Ihr persönliches Engagement für Entwicklung ist sowohl bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen als auch der Positionierung aller unserer Länder für eine stärkere Zukunft hilfreich. Ich darf sicher sagen, dass mein eigenes Land entschlossen ist, selbst inmitten schwerer Wirren in unserer Region und wirtschaftlicher Herausforderungen Fortschritte zu erzielen. Die Unterstützung Europas für Jordanien ist von entscheidender Bedeutung und wird hoch geschätzt.

Abschließend lassen Sie mich ein Wort zur seit langem bestehenden Konfrontation zwischen Palästinensern und Israelis sagen. Keine andere Krise zieht eine solche weltweite Spaltung und Radikalisierung nach sich. Kein anderes Thema hat über einen so langen Zeitraum die Sicherheit und Stabilität unserer Region gefährdet. Keine Besetzung verletzt so offensichtlich den ersten Grundsatz der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, das Friedensprinzip: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Für Millionen Menschen in der ganzen Welt ist der morgige Tag, der 15. Mai, besser als An Nakba, die Katastrophe, der Anfang des palästinensischen Exils vor 67 Jahren, bekannt. Ein an diesem Tag geborener palästinensischer Junge oder ein Mädchen haben ihr ganzes Leben ohne Chance auf Frieden und die Würde der Unabhängigkeit verbracht. Die Enkel dieser Generation, Angehörige einer globalen Welt, fragen: Wo ist diese weltweite Gerechtigkeit, von der ich höre? Weshalb gibt es Rechte für andere und für die Palästinenser nicht?

Was es jetzt braucht, ist die Willenskraft der Parteien – die gleiche Willenskraft, mit deren Hilfe Europa seine Zukunft gefunden hat: der Wille, in Frieden und gegenseitiger Achtung zu leben.

Europa spielt daher eine entscheidende Rolle. Es kann Perspektiven für Veränderungen schaffen und eine starke Botschaft vermitteln: Sicherheit gibt es nur mit Frieden – und Frieden gibt es nur mit Achtung und Miteinander. Diese Botschaft ist die besondere Macht des Europäischen Parlaments mit seinen Millionen Stimmen und seiner großen Stimme Martin Schulz.

Präsident Schulz, Ihre herausragende Leistung lehrt die ganze Welt, dass es selbst in Zeiten der Herausforderung unsere Pflicht ist, im Dialog und in gegenseitiger Achtung weiter voran zu schreiten. Ich möchte Sie nochmals zu dem Preis beglückwünschen, den Sie heute entgegennehmen. Und ich sehe mit Freude vielen weiteren Jahren Ihrer Führung in Europa und der Welt entgegen.

Ich danke Ihnen sehr. Vielen Dank.

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