Herr Präsident! Exzellenzen! Meine Damen und Herren!
Es ist das viertemal, daß wir uns an dieser historischen Stätte versammeln, um den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen zu verleihen. Wiederum soll einem hervorragenden Förderer der europäischen Einigungsbewegung dieser Preis verliehen werden. Dreimal sahen wir diesen historischen Saal mit seinen Wunden, die ein sinnloser Krieg ihm angetan hatte. Heute sahen wir, wie seine Wunden sich zu schließen beginnen. Nehmen wir diese Tatsache symbolisch auch für das kommende Europa. Im vergangenen Jahre wölbten sich die ersten Bogen des europäischen Hauses, das wir erbauen wollen. Vielleicht ersteht im nächsten Jahr wieder unser alter Kaisersaal in alter Pracht und Herrlichkeit. Und vielleicht stehen wir bei der fünften Karlspreisverleihung dicht vor den Wahlen zum ersten europäischen Parlament!
Denn in der Tat, die Fortschritte, die die europäische Bewegung im letzten Jahre gemacht hat, sind außerordentlich. Die Regierungen von sechs westeuropäischen demokratischen Ländern, von Frankreich, Italien, Deutschland und den Benelux-Staaten haben erkannt, daß ihre Länder sich zusammenschließen müssen. Sie haben die europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl errichtet und legen jetzt den Vertrag über die europäische Verteidigungsgemeinschaft ihren Parlamenten zur Ratifizierung vor.
In der Nacht vom 9. zum 10. Februar rollte bei Wincheringen-Apach der erste europäische Kohlenzug ohne Zollaufenthalt über die deutsch-französische Grenze. Viele Tausende von Menschen beiderseits der Grenze werden dem Lokomotivführer Peter Schreiner aus Conz zustimmen, der bei der Abfahrt sagte: "Ich fühle mich glücklich, diesen Zug fahren zu können. Ich hoffe, daß dadurch der Frieden erhalten bleibt, und alle europäischen Völker für immer einig bleiben!"
Die Schaffung der Montanunion war ein wichtiger Fortschritt. Aber wichtige Dinge folgten ihr auf dem Fuße. Die Versammlung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl erhielt den Auftrag, bis zum 10. März dieses Jahres den Entwurf für eine europäische Verfassung auszuarbeiten, und allen Skeptikern zum Trotz ist der Termin eingehalten worden. Am 9. März dieses Jahres ist in feierlicher Abendsitzung der europäische Verfassungsentwurf vom Präsidenten Spaak dem französischen Außenminister Bideault in seiner Eigenschaft als Präsident des Ministerrates überreicht worden. "Auf uns, und nur auf uns," so rief der Präsident der ad hoc Versammlung Spaak aus, "liegt die Verantwortung dafür, dem alten Europa seine Kraft, seine Größe und seinen Glanz zurückzugeben." Und dieses "Uns" umfaßt nicht nur die Staatsmänner und Politiker, es umfaßt die ganze Gegenwart der europäischen Völker, die in einer einmaligen geschichtlichen Stunde der Entscheidung stehen.
Wir beten zu Gott, daß das große Werk gelingen möge, denn, wer von uns möchte die letzten 50 Jahre nochmals erleben? Das kann nur der Sinn der entsetzlichen Kriege gewesen sein, die wir erlebt haben, daß den europäischen Völkern die Augen geöffnet wurden. Daß sie nunmehr tun, was die geschichtliche Stunde von ihnen verlangt: Eine gemeinsame Staatsform zu finden, die eine neue Zerreißung Europas für immer unmöglich macht und bereit zu sein, soviel von den nationalen Souveränitäten zu opfern, als zum Bestehen Europas notwendig ist. Wenn das geschieht, aber auch nur dann, dann hat unsere Gemeinschaft ihre Aufgabe vor der Geschichte erfüllt!
Aber nicht nur über die großen politischen Fortschritte, auch über die kleinen Erfolge der europäischen Bewegung wollen wir uns freuen. Zwar stehen sich die Völker an den Grenzen immer noch selbst im Wege, aber die Bedeutung dieser Grenzen bröckelt doch so langsam ab. Uns allen geht es nicht schnell genug. Mögen die Hunderttausende, die in diesem Reisejahr mit Zügen oder Autobussen wartend an den Grenzen stehen, ihre Energie nicht im Schimpfen erschöpfen, sondern mit Hand anlegen in der europäischen Bewegung, damit das längst überfällige anachronistische Getue der großen europäischen Gesetze als erste segensreiche Folge für die Bevölkerungen eine wesentliche Erleichterung schaffen wird. Es heißt auch hier: "Ein jedes Volk ist seines Glückes Schmied."
Die Erfolge des letzten Jahres sind einer Handvoll entschlossener Männer zu danken. Es kann nicht mehr die Rede davon sein, daß zwar die europäischen Völker wollen, aber die Staatsmänner zögern. Wir grüßen unseren Bundeskanzler Dr. Adenauer, mit dessen Erscheinen auf der politischen Bühne Europas auch die europäische Frage vorwärtsging. Wir grüßen den ehemaligen französischen Außenminister Robert Schuman und die übrigen Staatsmänner, die zu dem jetzigen Ergebnis beigetragen haben. Wir grüßen den Präsidenten Spaak, dessen Arbeit in Straßburg unersetzlich ist. Wir erhoffen von ihm, daß er den europäischen Sozialismus doch noch am Ende geschlossen für die wahrhaft große menschliche Aufgabe einigen wird. Wir grüßen den Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, den Bundestagsabgeordneten von Brentano, der mit meisterlichem Können in unwahrscheinlich kurzer Zeit den europäischen Verfassungsvorschlag bewältigt hat. Wir grüßen alle die Kämpfer in Straßburg, wie in Stadt und Land, die sich der größten Aufgabe unserer Zeit gewidmet haben. Noch sind nicht alle Wege geebnet. In der Verteidigungsfrage zeigen sich große Schwierigkeiten. Aber alle Europäer vertrauen darauf, daß die innere Dynamik, die der europäischen Bewegung innewohnt, sie vorwärtstreiben wird bis zum endgültigen Siege! Noch immer bildet das enge nationalstaatliche Denken in Europa ein schweres Hindernis zur europäischen Einigung. Aber so hoch man die Worte des Nationalen auch stellen mag, die Stunde der kleinen Nationalstaaten ist gewesen. Ein echter europäischer Patriotismus muß die völkischen Patriotismen ergänzen und überwiegen. Die Völker Europas müssen sich auf ihre gemeinsame christlich-antike Kulturtradition besinnen. Nur dann kann die Verwirklichung der politischen Einheit Europas gelingen. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, werden wir im kommenden Jahre 1954 zum ersten europäischen Parlament wählen. Wird das ein Tag sein! Für das deutsche Volk nur vergleichbar den Wahlen des Jahres 1848, als die Deutschen sich erstmalig aus dem kleinstaatlichen Denken erhoben und gemeinsam zur ersten deutschen Nationalversammlung in Frankfurt wählten.
Das Europa, das kommen wird, kann noch nicht das ganze Europa sein. Nennen wir es nicht Klein-Europa, sondern Kern-Europa. Aber wie die Schweiz aus den Urkantonen entstanden ist, und die Vereinigten Staaten von Amerika aus den 13 Kolonien, so wird aus dem Kern-Europa einmal Gesamt-Europa entstehen. Ich zweifle nicht daran: Mit einer gewaltigen Zentripetalkraft wird dieses Kern-Europa die noch ausstehenden Teile Europas an sich ziehen. Und nie darf es vergessen, daß hinter dem Eisernen Vorhang noch hundert Millionen Menschen leben, die zum freien Europa gehören. Ein Dauerfriede mit der Sowjetunion hat die Befreiung dieser Europäer zur Voraussetzung.
In diesem Augenblick großer geschichtlicher Entscheidungen erhebt wiederum unsere alte Stadt Aachen ihre Stimme. Die Stadt Karls des Großen mußte in der europäischen Frage ihre Stimme erheben. Wo und wann immer von Europa gesprochen wird, da wird diese Stadt immer dabei sein. Das ist sie ihrer Geschichte schuldig. In Aachen ist die Erinnerung an die gemeinsame europäische Staatlichkeit, wenn sie auch tausend Jahre zurückliegt, immer noch sehr rege. 600 Jahre nach dem Tode Karls des Großen machte der burgundische Humanist Jean de Montreuil den Vorschlag, den deutschen Adler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und die französischen Lilien, das Wappen Frankreichs, zu einem Schilde zu vereinigen. Und das Aachener Stiftskapitel führt bis zu dem heutigen Tage diesen Schild.
So hat der Genius dieser Stadt auch den Gedanken des Karlspreises geweckt. Die Bürger dieser Stadt wollten jährlich hervorragende Kämpfer für die europäische Idee auszeichnen. So begannen wir vor drei Jahren mit dem unermüdlichen literarischen Vorkämpfer der Europa-Idee, dem Grafen Coudenhove, dem Mann, dem Europa zutiefst verpflichtet ist. Es folgte vor zwei Jahren der junge holländische Föderalist Prof. Brugmans in Brügge, dem mit der Leitung des europäischen Kollegs eine so wichtige Aufgabe übertragen ist. Und im Herbst vorigen Jahres hatten wir die Freude, den italienischen Ministerpräsidenten De Gasperi bei uns zu sehen, dessen Eingreifen auf den Konferenzen der Staatsmänner der letzten Jahre die Fortschritte der europäischen Bewegung zum guten Teil zu danken ist.
Die Aachener Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises ist vollkommen selbständig und unabhängig. Sie ist keiner Regierung verpflichtet, keiner Partei oder Konfession. Sie will nichts anderes als eine große Sache ihrer selbst willen fördern.
Bei der Bedeutung der deutsch-französischen Verständigung für die europäische Einigung war es höchste Zeit, einen verdienten Franzosen für die diesjährige Preisverleihung zu finden. Wir sind glücklich, in Herrn Präsidenten Monnet, den Präsidenten der Hohen Behörde der Montanunion, Ihnen heute als diesjährigen Preisträger vorzustellen. Der Schweizer Schriftsteller Eugen Wyler, der um das Zustandekommen der deutsch-französischen Bürgermeister-Union sich so große Verdienste erworben hat, hat im Herbst vorigen Jahres auf der Innsbrucker Tagung das treffende Wort gesprochen: "Wenn die Aussöhnung Deutschland-Frankreich nicht gelingt, können wir - angesichts der unübersehbaren amerikanischen und russischen Machtentfaltung - die europäische Welt begraben."
Wahrlich, wir wissen es alle, der Weg unserer beiden Völker durch die Jahrhunderte ist begleitet von einem Strom von Blut und Tränen. Woher diese Feindschaft, woher diese Gegensätzlichkeit? Graf Coudenhove, der das ganze europäische Problem am gründlichsten erforscht und durchdacht hat, erkennt die Entstehung des europäischen Nationalismus in dem Aufkommen der allgemeinen Schulpflicht. Zunächst ein überraschender Gedanke. Vorher jedenfalls, so sagt er, waren die europäischen Völker nicht nationalistisch. Aber dann erhitzten sie sich in ihren Schulen an ihren eigenen meist kriegerischen Leistungen, und sahen geringschätzig auf andere Völker herab. Es waren nicht die großen Geister der Menschheit, die dem Nationalismus verfallen waren. Wie sagt Goethe um 1830 zu Eckermann: "Wie könnte ich eine Nation verachten, die wie die französische, zu den kultiviertesten der Erde gehört und der ich einen so großen Teil meiner eigenen Bildung verdanke!" Und unser großer Aachener Historiker Ludwig von Pastor warnte 50 Jahre später in Innsbruck seine junge Kommilitonen vor den Gefahren des Nationalismus: "Noch nie", sagte er, "seit die Welt steht, ist soviel vom Nationalen die Rede gewesen, wie heutzutage. Die falsche Nationalitätsidee aber ist die große Irrlehre unserer Zeit." Und wie spricht der große holländische Geschichtsphilosoph der Leydener Universität Huizinga, dem wir die feinsinnigen Untersuchungen über "Wachstum und Formen des nationalen Bewußtseins in Europa", über "Patriotismus und Nationalismus" verdanken, wieder 50 Jahre später, 1944 unter dem Donner der Kanonen? Er glaubt trotz aller Ruinen noch an eine Zukunft der europäischen Völker auch nach der Katastrophe, aber er setzt seine letzte Hoffnung "auf die Menschen guten Willens, auf jene, in denen ein Bedürfnis nach Recht, ein Sinn für Ehrlichkeit und Freiheit, für Vernunft, Treue und Glauben lebendig ist."
Und wie die Großen der Menschheit, so ist auch das schlichte einfache Volk nie dem Nationalismus verfallen gewesen. Jeder, der an den großen Kriegen teilgenommen hat, der weiß das. Spricht nicht jeder deutsche Gymnasiast oder Student, der gerade in den letzten Jahren Frankreich besucht hat, von dem liebenswerten Entgegenkommen der Bevölkerung? Deutsche Studenten, die vor vier Jahren eine Radtour durch Frankreich machten, und auch zur Landungsstelle der Alliierten in der Normandie kamen, wo noch alles wüst und leer vom Kriege dalag, erzählten mir, daß sie eine Bauersfrau auf einem zerstörten Hof fragten, ob sie auf der Wiese am Hof ihr Zelt aufbauen könnten. Sie wollten aber nicht verschweigen, daß sie Deutsche wären. "Oh", sagte die Frau, "das macht nichts, sie sind ja ebenso wenig am Kriege schuld wie ich." Sie möchten ihr Zelt nur aufbauen. Und eine halbe Stunde später kam Madame und brachte ihnen einen großen Topf Suppe. So denkt das einfache Volk!
Es ist kein Zweifel, es geht eine tiefe Sehnsucht durch unsere Völker, einen Strich unter die Vergangenheit zu machen, alle Gegensätzlichkeit zu überwinden und gemeinsam eine neue Welt aufzubauen. gehen wir entschlossen weiter auf diesem Wege, und die Sonne wird wieder scheinen über Deutschland und Frankreich und Europa!
Wir müssen allerdings auch einiges dazutun. Wir wollen nicht die allgemeine Schulpflicht abschaffen, aber wir wollen aus unseren Schulbüchern alles entfernen, was herabsetzend für andere Völker ist. Ich freue mich, daß die europäische Erziehungskonferenz, die vor wenigen Wochen in Frankfurt zusammengetreten ist, die von 14 europäischen Staaten besucht war, gefordert hat, daß das Gemeinsame und nicht das Trennende der Nationen ständig hervorzuheben sei: Gemeinsame Errungenschaften, nicht Kriege und Auseinandersetzungen. Jedem Kinde aber solle die Möglichkeit gegeben werden, eine moderne Fremdsprache zu erlernen.
Ach, wenn wir uns doch besser kennenlernen würden! Wie schön und anregend ist der Begriff der Nachbarschaft unter den Menschen. Man besucht sich, man schaut mal in den Garten des anderen, man bespricht seine Erfolge und seine Sorgen und man hilft sich. Wie herrlich war der spontane Aufbruch der europäischen Hilfsbereitschaft anläßlich der holländischen Wasserkatastrophe! Ich glaube, es war im Jahre 1911 als in Courrièrres in Frankreich durch ein Grubenunglück viele Bergleute eingeschlossen waren und verloren schienen. Deutsche Bergleute eilten zu Hilfe und es gelang ihnen, die eingeschlossenen französischen Arbeitskollegen zu retten. Ich erinnere mich, welche Welle des Stolzes damals durch unser Volk ging! Plötzlich schienen alle guten Anlagen in den Menschen mobil geworden zu sein!
Sie haben, Herr Präsident, an den bisher erzielten Erfolgen der europäischen Bewegung Ihren großen Anteil. In langen Jahren hatten Sie in wichtigen Stellungen Ihrem französischen Vaterland gedient. Als stellvertretender Generalsekretär des Völkerbundes, als wiederholt Beauftragter haben Sie anderen europäischen Völkern bei der Lösung ihrer finanziellen oder wirtschaftlichen Probleme geholfen. Die größte und stolzeste Aufgabe aber ist Ihnen nunmehr zugefallen. Sie sind nicht nur der geistige Vater des Schuman-Planes, sondern auch der praktische Verwirklicher. Sie haben "die stählerne Wiege Europas" geschaffen. Als am 17. Februar der erste Schuman-Plan-Kohlenzug die deutsch-französische Grenze passierte, haben Sie über den Rundfunk die bedeutenden Worte gesprochen: "Es gibt jetzt keine deutsche Kohle und keinen französischen Stahl mehr, sondern nur noch europäische Kohle und europäischen Stahl, die zollfrei zwischen unseren Ländern ausgetauscht werden, wie in einem einzigen Staat mit 155 Millionen Verbrauchern, einer Zahl von Menschen also, die der Bevölkerungszahl von USA gleichkommt."
Daß der große 50-jährige Vertrag, der die Schaffung dieses einzigen großen Marktes für Kohle, Stahl und Eisenerz möglich gemacht hat, zustande kam, daß sich sechst europäische Staaten dazu entschlossen, die trennenden Zollschranken aufzuheben, all das ist Ihrem Weitblick und Ihrer Energie zu danken.
Aber Sie wollen mehr. Sie sehen in dem Schuman-Plan nur die erste Stufe zu einem weitaus höher gesteckten Ziel. Aus der Wirtschaftsgemeinschaft Europa soll allmählich die politische Einheit hervorgehen. Aus dem Bewußtsein wirtschaftlicher Verbundenheit und Abhängigkeit soll sich jenes höhere Gefühl für die politische Gemeinschaft entwickeln, die über alle nationalen Einzelschicksale der Vergangenheit hinaus Erfordernis unserer europäischen Gegenwart ist.
Ihre eigenen Worte sagen es am besten: "Jahrhundertelang standen in unserem Europa Nationalstaaten gegeneinander, die versucht haben, ihre Herrschaft um den Preis blutiger Streitigkeiten zu begründen, die für unsere Völker viel Unheil mit sich brachten. Zum ersten Male in unserer Geschichte beginnen die Schranken zu fallen, welche die europäischen Staaten zwischen unseren Völkern errichtet hatten, und die Völker beginnen sich zu verteidigen.
Über die für das tägliche Leben eines jeden von uns erforderlichen materiellen Fortschritte hinaus erschließt unsere Gemeinschaft den Weg zu dieser Vereinigung, die für die Wiedergeburt unserer europäischen Kultur und zur Erhaltung des Friedens unbedingt notwendig ist. Mehr als zweitausend Jahre lagen die Mittelpunkte des Fortschritts in Europa. Die Menschen, die auf europäischem Boden zur Welt kommen, sind die gleichen wie zu jeder Zeit; sie sind ebenso unentbehrlich wie früher. Aber sie leben in einer Zwietracht und Enge, die sie daran hindern, ihre Fähigkeiten zu nutzen.
Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl hat damit begonnen, Europa von diesen Fesseln zu befreien. Damit schaffen wir Bedingungen, die es uns Europäer und den freien Völkern, die sich uns anschließen wollen, gestatten, in der modernen Welt, zu unserem eigenen Glück, für die Kultur und den Frieden unseren Beitrag zu leisten.
Für diese europäische Arbeit sind nur Männer zu gebrauchen, die wie Sie, Herr Präsident, ohne Wenn und Aber, ohne Reserve ganze Europäer sind! Die zutiefst erfaßt haben, daß ein neues Denken notwendig ist, wenn wir die europäischen Völker einem neuen wieder aufsteigenden Zeitalter entgegen führen wollen. Männer, die den harten Willen haben, alle Ressentiments zu überwinden und das klar erkannte Ziel fest im Auge behalten!
Seien Sie versichert, Herr Präsident, daß wir mit leidenschaftlicher Anteilnahme Ihr Werk verfolgen. Möge der heutige Tag, an dem eine deutsche Stadt mit einer ebenso großen deutschen wie europäischen Tradition Ihnen eine hohe Ehrung verleiht, Ihnen eine Ermutigung sein! Möge das französische Volk in unserer bescheidenen Geste ein Zeichen des guten Willens sehen: Einen kleinen Beitrag um ein neues, auf Vertrauen und Sympathie beruhendes, dauerndes gutes Verhältnis zwischen unseren Völkern zu begründen. Möge unser Tun in Frankreich die anerkennende Würdigung finden, die wir alle zutiefst ersehen!
So darf ich nunmehr den Herrn Oberbürgermeister der Stadt bitten, Ihnen den Karlspreis zu überreichen.
Die Plakette zeigt auf der Vorderseite das Bild Karls des Großen, auf der Rückseite die Widmung: Karlspreis der Stadt Aachen 1953 dem Schöpfer der ersten souveränen übernationalen europäischen Institution Jean Monnet. Die Urkunde aber hat folgenden Wortlaut: Dem Präsidenten der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Jean Monnet wurde am 17. Mai 1953 der Internationale Karlspreis der Stadt Aachen für das Jahr 1953 im Krönungssaal des Rathauses, der ehemaligen Kaiserpfalz, überreicht in Anerkennung seiner schöpferischen Leistungen für das europäische Einigungswerk.
In klarem zielbewußtem Streben schuf der Preisträger die geistigen und praktischen Grundlagen der ersten souveränen übernationalen europäischen Institution und führte sie über viele Schwierigkeiten hinweg zum lebendigen Wirken.
Und nunmehr möchte ich Sie namens der Internationalen Gesellschaft zur Verleihung des Karlspreises und namens dieser glänzenden Versammlung aufs Herzlichste beglückwünschen!
Mögen Sie die Vollendung des Werkes erleben, dessen Fundamente Sie gelegt haben!
Auf frohes Wiedersehen beim Richtfest unseres gemeinsamen europäischen Hauses!