Apg. 1, 1-11 Eph. 1, 17-23 Lk 24, 46-53
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Werte Gäste aus ganz Europa!
Wir Christen feiern heute das Fest Christi Himmelfahrt. Wir glauben
daran, dass Jesus heimgegangen ist zu seinem Vater und zu unserem
Gott. Er tritt bei ihm für uns ein. Der Vater hat ihm das Reich
übergeben. Er herrscht vom Himmel her. Er lebt und wirkt in der Kirche
Gottes. Wir sprechen gläubig mit dem Apostel Thomas, der erst
spät die Erfahrung des auferstandenen Herrn gemacht hat: „Mein
Herr und mein Gott!".
Gottes Herrschaft und Reich, Christi dynamische Gegenwart, die
Sendung des Heiligen Geistes - das alles ist uns geschenkt, damit
wir ein Leben führen „würdig des Rufes, der an uns erging" (Eph 4,
1). Gottes Herrschaft und Reich, das ist etwas, das in unseren Herzen
aufgerichtet wird und lebt, das zu einem evangeliumsgemäßen
Leben führt, das Nachfolge Christi in uns lebendig macht. Diese Überzeugungen
und Maßstäbe, die uns das Evangelium gibt, haben
die Geschichte Europas geformt und werden auch in Zukunft eine
Kraft sein, die Europa vorantreibt.
Was aber ist Europa? Ich glaube, man kann es nicht besser erleben
als in dieser Domkirche Karls des Großen, dessen Herrschaftsverständnis
1000 Jahre lang die politische Kultur Europas geprägt hat.
Wenn heute Ihnen, sehr geehrter Herr Javier Solana Madariaga, der
Internationale Karlpreis zu Aachen für Ihre Verdienste um Europa
überreicht wird, sage ich Ihnen hier im Dom herzliche Glück- und
Segenswünsche. Das Karlspreisdirektorium wollte Ihre Verdienste für
Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik würdigen und wertschätzen.
Denn als Generalsekretär des Rates der Europäischen Union
und als deren Hoher Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
stehen Sie für die politische Einheit Europas und für
seine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Sie persönlich
streben danach, dass Europa lernt, in dieser Welt politisch mit einer
Zunge zu sprechen. Ich weiß, dass damit hohe Erwartungen an Sie
gestellt sind.
Beim Besuch des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz
in Israel wurde das deutlich von israelischer und palästinensischer
Seite gesagt. Man wartet auf aktive Unterstützung der Europäischen
Union für einen Friedensprozess, der mit Geduld und Beständigkeit
die notwendigen Schritte tut, denn alle in Israel und Palästina wissen,
dass Friede notwendig fürs Überleben ist. Das bedeutet Sicherheit
und Anerkennung des Existenzrechtes Israels; das bedeutet Anerkennung
eines palästinensischen Staates, der unabhängig und frei
ist und nicht eingeengt wird durch Mauer, Siedlungsbau und Checkpoints.
Ich halte dafür, dass die EU und das Nahost-Quartett die
Entwicklung Israels stützen und die Palästinenser fördern durch wirtschaftliche
und bildungsmäßige Unterstützung. Wer Brot und Arbeit
hat, wird nicht Terrorist. Die Europäische Union und die derzeitige
Ratspräsidentschaft wollen die in Nahost eingeleiteten Prozesse gut
und wirksam unterstützen.
Ähnliches gilt für Afrika, für diesen vergessenen Kontinent. Wir müssen
erkennen, dass die europäischen Kolonialmächte diesen Kontinent
ausgeplündert haben, indem wir Sklavenhandel trieben und den
Kontinent dann wirtschaftlich und kulturell ausgebeutet haben. Wir
müssen deutlich machen, dass wir Afrikas Seele und die Würde der
afrikanischen Völker wieder herstellen müssen. Wir Europäer haben
hier eine Bringeschuld. All das gehört zu einer verantworteten Außenpolitik
der EU, für die Sie stehen. Die Aufgaben sind riesig. Wir wünschen Ihnen Erfolg, Geduld und Beharrlichkeit in diesem Bemühen.
Ihre Entscheidungen im Balkankrieg haben zu kritischen und demonstrativen
Äußerungen gegen diese Preisverleihung geführt. Es
ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Ich möchte nur den
Grundsatz festhalten, der auch im Wort der deutschen Bischöfe „Gerechter
Friede" steht, dass im Falle ethnischer Säuberungen zur
Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden und zum Schutz der
Menschenrechte eine militärisch gestützte Friedensmission ethisch
gerechtfertigt sein kann.
50 Jahre sind seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge vergangen.
„Die Zeit scheint also reif dafür, dass die ldee Wirklichkeit
werde .. Warum noch zaudern? Das Ziel ist klar, die Bedürfnisse der
Völker liegen offen vor aller Augen. Dem, der im voraus eine absolute
Garantie für einen glücklichen Ausgang haben möchte, müsste
man antworten, dass es sich wohl um ein Wagnis, aber um ein notwendiges
Wagnis handle, um ein Wagnis jedoch, das den gegenwärtigen
Möglichkeiten entspreche, um ein vernünftiges Wagnis .. Wer
absolute Gewissheit verlangt, beweist keinen guten Willen gegenüber
Europa". So hatte Papst Pius XII. 1954 die Einigung Europas
begrüßt.
Geboren wurde die Idee aus der Erfahrung des Krieges, der Trümmer,
Leid und Tod in Europa zurückließ. Die Europäische Union ist
eine Frieden schaffende und Frieden sichernde Kraft geworden. Sie
will Konfliktlösung und Konfliktvermeidung ohne Waffen.
Die Europäische Union bekennt sich zur Europäischen Grundrechtecharta:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar". Der Mensch ist
allem gesellschaftlichen und staatlichen Handeln vorgeordnet. Er ist
Person - Individuum und soziales Wesen -, die der Freiheiten bedarf
und nach einer Ausstattung an Gütern verlangt, die ihr ein Leben in
der Gesellschaft ermöglichen. Wir weisen darauf hin, dass in einem
Grundlagentext über die Verfasstheit der EU eine rechtlich verbindliche
Charta der europäischen Grund- und Menschenrechte wichtig
und eine Bezugnahme auf Gott und das christlich-jüdische Erbe der
europäischen Kultur erwünscht ist, das den Beitrag muslimischer
Menschen und der Aufklärung nicht übergeht.
Jean Monnet hat gesagt: „Europa ist ein Beitrag für eine bessere
Welt“. Diese Verantwortung muss Europa aktiv wahrnehmen, bei der
Integration Europas nach innen, auch unter Einbeziehung der ostund
südosteuropäischen Staaten, wie nach außen durch eine Friedens-
und Entwicklungspolitik für Afrika, Asien und Lateinamerika.
Europa ist gerufen, eine Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln,
die dem Frieden dient, die Menschenrechte und Grundfreiheiten
schützt, die die internationale Sicherheit stärkt, die die internationale Zusammenarbeit fördert und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entwickelt und stärkt.
Heute, am Fest Christi Himmelfahrt, richten wir Menschen unseren
Blick nach oben. In der Kuppel des Oktogons unserer Marienkirche
sehen wir den auferstandenen und erhöhten Herrn, Jesus Christus,
vor dem wir als Christen alle Herrschaft und Gewalt verantworten
müssen. Er hat uns durch sein Evangelium Orientierung für unser
Handeln gegeben, auch für den politischen Weg unserer Völker. Er
hat diejenigen selig gepriesen, die hungern und dürsten nach der
Gerechtigkeit, die keine Gewalt anwenden, die Frieden stiften, denn
ihrer ist das Himmelreich (vgl. Mt 5, 3-1 1). Wir schauen auf zu Jesus
Christus, der einst wiederkommt in Herrlichkeit.
Das heutige Evangelium schließt mit dem Wort: „Dann führte Jesus
sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und
segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde
zum Himmel emporgehoben, sie aber fielen vor ihm nieder. Dann
kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren
immer im Tempel und priesen Gott" (Lk 24, 50-53).
Unter dem Segen Gottes stehen auch wir heute. Unter dem Segen
Gottes wollen wir in Zukunft leben und arbeiten – zum Segen für die
Menschen. Amen.