Majestäten,
Herr Staatspräsident,
sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Jürgen,
meine Damen und Herren Präsidenten,
Minister, Ministerinnen,
Abgeordnete und Abgeordnetinnen,
Botschafter und Botschafterinnen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich bin froh, wieder in Aachen zu sein. Ich habe gute Erinnerungen an diese Stadt, sei es auch nur, und darüber freue ich mich besonders, dass es auch dieses Jahr regnet, und nicht nur letztes Jahr, und auch deshalb, weil wir letztes Jahr den Aufstieg der Alemannia Aachen in die erste Bundesliga feiern konnten, und das werden wir nächstes Jahr wieder zu Christi Himmelfahrt machen können.
Aber nicht Fußball führt uns heute zusammen, sondern Javier Solana, den wir als großen spanischen Europäer, und als großen europäischen Spanier heute ehren, weil er den Karlspreis der Kaiserstadt Aachen heute in Empfang nehmen kann.
Er ist der vierte spanische Karlspreisträger. Dies hat in der spanischen Presse zu sehr voreiligen Kommentaren geführt, weil die gesamte spanische Presse, und Javier in einem autographisch schwachen Moment selbst, bekundet hat, damit wäre klargestellt, dass die Spanier die eigentlichen Karlspreisspezialisten wären. Das stimmt so nicht, weil ich kenne mindestens 460.000 Luxemburger, die Karlspreisträger sind, und einer davon sogar zweimal, und das werden die Spanier bis ans Ende dieses Jahrhunderts nicht schaffen können.
Der etwas älter gewordene, aber auch sehr weise gewordene Javier Solana erinnert mich sehr an den jungen Javier Solana, den ich nicht gekannt habe. Nicht so sehr vom Äußeren her, aber von der inneren Einstellung her.
Javier Solana ist in Spanien groß geworden, zu Zeiten, in denen demokratische Grundrechte, Menschenrechte überhaupt, normal verfasste europäische Demokratie in der heutigen spanischen Form nicht anzutreffen waren.
Javier Solana weiß, wovon er spricht, wenn er von Freiheit und von der Abwesenheit von Freiheit spricht. Er weiß, wieso er sich für Demokratie einsetzt, weil er erlebt hat, was nicht-Demokratie bedeutet. Er, der als junger Student exmatrikuliert wurde, und in England, in den Niederlanden und in den Vereinigten Staaten von Amerika sein Studium fortsetzen musste.
Es ist etwas sehr Wertvolles, was heute in Aachen passiert. Es ist dies auch ein spanisches Fest. Wir haben hier nicht nur Javier Solana als diesjährigen Karlspreisträger. Wir haben auch Felipe González als früheren spanischen Premierminister, und Seine Majestät König Juan Carlos. Diese drei und ihr Volk haben dafür gesorgt, dass in Spanien Demokratie eine Chance kriegte, und eine Chance behielt. Ich möchte sehr herzlich von hier und im Namen der nicht-Spanier dieses großartige spanische Volk grüßen: Viva Espaà±a!
Javier Solana hat sich an dem Aufbau der spanischen Demokratie beteiligt, aktiv beteiligt. Er, der die Diktatur und die Unfreiheit hat durchschreiten müssen, ist durch und durch zum Weltverbesserer geworden. Aber nicht zu einem Träumer, sondern zu einem aktiven Weltverbesserer. Deshalb wurde er 1977 Abgeordneter zur spanischen Cortés, deshalb gehörte er allen spanischen Regierungen zwischen 1982 und 1995 an: als Kulturminister, als Minister für Erziehung, Bildung und Wissenschaft, und als Außenminister, Eigenschaft in der er eine äußerst erfolgreiche spanische Präsidentschaft gemeinsam mit Felipe im zweiten Halbjahr 1995 durchzuführen wusste.
Er wurde später NATO-Generalsekretär. Und er war kein oberflächlicher, leichtfüßiger NATO-Generalsekretär. Er war der NATO-Generalsekretär, der eine Entscheidung in Richtung militärischer Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien beschließen musste, und zu verantworten hatte. Und ich weiß aus diesen Tagen und Wochen, auch Nächten, aus vielen Telefonaten, die wir damals geführt haben, dass er sich mit der Entscheidung schwer tat, und dass er gezweifelt hat an der Richtigkeit der Entscheidung.
Javier Solana ist ein Gewissensmensch. Er ist kein leichtfüßiger Kerl, der durch die europäischen Wiesen und Täler läuft und einfach bombardiert, ohne Grund und ohne Ursache. Er hat sich um den Frieden, auch auf dem Balkan, in höchstem Maße verdient gemacht, und er hat es sich nicht leicht gemacht während der Zeit.
Er war NATO-Generalsekretär und ist dann etwas anderes geworden, und zwar ist er jetzt hoher Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und Generalsekretär des Rates der Europäischen Union. Das möchte ich auf meiner Visitenkarte nicht stehen haben, und ich möchte auch nicht als sehr hoher Vertreter angeredet werden müssen.
Ich wünsche mir sehr, dass der Vertragsgebungsprozess, der unterwegs ist, und um den sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hervorragend bemühen, zum Abschluss gebracht werden kann, damit er sich so nennen darf wie er heißen sollte in einer Bezeichnung, die auch das bezeichnet was er tut, nämlich unser europäischer Außenminister!
Diese Visitenkarte muss weg, wir brauchen kleinere Formulierungen für diesen großen Mann.
Von Hause aus ist Javier Solana Professor für Festkörperphysik. Ich weiß nicht genau, was das ist. Der deutsche Außenminister im Übrigen auch nicht, er schaut nur so, als ob er wüsste, wovon ich rede. Javier Solana ist Professor für Festkörperphysik. Seitdem er hoher Vertreter, Chefdiplomat der Europäischen Union ist, kümmert er sich um fragile Staaten - er, der Festkörperphysiker - um fragile Regionen, um gestörte Zusammenhänge.
Er tut dies im Nahen Osten, er tut dies in Afrika - Stichwort Darfur und Kongo - er tut dies in Asien, er tut dies in Zentralasien, in Russland, er hat dies in der Ukraine getan, und selbstverständlich auf dem Balkan, und an vielen anderen Orten dieser Welt auch.
Indem er dies tat und tut, gibt er der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein Gesicht. Nicht nur der europäischen Außenpolitik gibt er ein Gesicht, sondern Europa selbst gibt er ein Gesicht, das die Welt sieht, und in dem sich die Welt wiedererkennt.
Er, der Weltumkreiser - wie oft er die Welt umflogen hat, weiß er selbst wahrscheinlich nicht, dies lässt sich auch bei der vielen Reiserei und Raserei überhaupt nicht nachträglich errechnen. Er, der die Welt umkreist, tut dies auf eine sehr freundliche, gewinnende, einnehmende Art. Meistens ist er nicht rasiert. Er hat sehr oft einen Dreitagebart. Das hat mit Mode nichts zu tun, sondern das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass er nie weiß, ob es morgens, mittags oder abends ist, weil er in allen Zeitzonen dieser Welt eigentlich Dauergast ist.
Aber er, der fliegende Spanier im europäischen Auftrag, verbreitet nicht nur Lust auf Zukunft, nicht nur gute internationale Laune. Nein, er verbreitet auch eine europäische Methode, die er maßgeblich, wenn nicht alleine, entwickelt hat - jedenfalls hat er sie mehr als nur co-entwickelt - und dies ist die Methode, man kann sie nicht anders benennen, als die der vernetzten Sicherheit.
Und diese Methode, diese typisch europäische Methode der vernetzten Sicherheit, ist eine komplette Methode, weil sie Militärisches mit Zivilem verbindet, weil sie Dinge in eine Reihe bringt, die normalerweise aus der Reihe springen: Militär-, zivile, Krisenbekämpfungs- und Vermeidungsmittel, wirtschaftliche Aspekte, entwicklungspolitische Aspekte. Aus diesen 4, 5 Grundstrichen fügt er ein gesamtes, übersichtliches, europäisches, diplomatisches Bild zusammen.
Diese Methode der vernetzten Sicherheit ist auch eine komplizierte Methode. Die Methode der präventiven Diplomatie ist komplizierter als die Methode der Präventivschläge. Wer sich einmal vorgenommen hat, und das haben wir Europäer, dass Krieg nicht eine Option ist, auch nicht die nächste Option, sondern im dramatischsten Ernstfall immer nur die letzte Option, der setzt auf präventive Diplomatie, hält sich weit weg von präventiven Schlägen und optiert sehr bewusst für diese komplette und komplizierte Methode. Javier Solana hat uns und großen Teilen der Welt dies beigebracht.
Er hat 14 zivile oder militärische Einsätze in der Zeit, seit er europäischer Chefdiplomat ist, zur Entscheidungsreife gebracht, und sie auch in der operativen Phase selbst überwacht. Er hat dadurch Kriege auch verhindert, Kriege und Bürgerkriege - in Montenegro: ein glasklarer Solana-Fall. Hätte es Solana nicht gegeben, hätten wir wahrscheinlich einen Bürgerkrieg in Mazedonien erlebt. Er hat die Trennung von Serbien und Montenegro in friedliche Bahnen gelenkt, und er hat sich sehr verdienstvoll um die Vermeidung eines sich anbahnenden Bürgerkrieges in der Ukraine verdient gemacht.
Dieser europäische Marathonmann hat nicht nur als Methode im Gepäck diese europäische vernetzte Sicherheitsannäherungsweise an internationale Konflikte. Diese Methode hat auch zu einem Ergebnis, zu einem Resultat geführt. Und dieses Ergebnis, dieses Resultat ist gestiegene europäische Glaubwürdigkeit, und vor allem europäische Berechenbarkeit wenn es um Außenpolitik und die Dinge dieser Welt geht.
Im Iran beispielsweise spricht Solana nicht nur für die Europäische Union. Nein, er ist er der Europäer, im Auftrag der Weltgemeinschaft unterwegs.
Wer hätte vor 10 Jahren sich eigentlich vorstellen können, dass ein europäischer Außenminister, und der hohe Vertreter der Europäischen Union, eigentlich Sprachrohr und Prozessgestalter dieser weltweit wichtigen, weil uns alle betreffenden, Gesamtvorgänge werden könnte? So ist Solana zu einem in der Welt hochgeachteten Akteur internationaler Dinge geworden.
Nach Solana wird nichts mehr in der Welt ohne Europa gehen, wenn es um wichtige Dinge geht, und darum gebührt ihm die allergrößte Anerkennung all derer, die Wert darauf legen, dass Europa vom Rest der Welt wahrgenommen wird.
Neben der kollektiven Methode der vernetzten Sicherheit, bringt Javier Solana auch seine eigene Methode zum Einsatz, und die ist nicht so, wie Methoden normalerweise sind. Er kann zuhören. Das können nicht alle Politiker, sogar nicht alle Außenminister, und damit meine ich weder den deutschen noch den luxemburgischen, - im luxemburgischen Falle ist die Welt ja besonders groß - deshalb denke ich an all die anderen Außenminister, die man bestaunen kann.
Javier Solana kann zuhören. Er kann schweigen. Er ist bedächtig. Er ist umsichtig. Und er hat den Charme, von Natur aus, und er braucht ihn, weil er ihn einsetzen kann um das rüberzubringen, was ihm wichtig erscheint.
Er ist ein Klugfragender, weil er nur dann eine Frage stellt, wenn er sicher ist, dass er genau die Antwort erhält, die er gerne hören würde.
Er ist jemand, der die Menschen mag, der sie auch umarmt, der küsst. Er wird in Brüssel der große Umarmer genannt. Wer die Welt, meine Damen und Herren, verbessern möchte, muss sie umarmen, herzen und drücken können. Er kann das, er muss das, und wir brauchen das.
Er ist ein Architekt für Frieden, für Stabilität, und für Demokratie geworden, und weltweit in diesem Auftrag unterwegs. So normal ist das nicht für einen Europäer.
Es stand nicht in den europäischen Geschichtsbüchern geschrieben, dass wir, die wir uns so lange bekämpft haben, und uns so lange untereinander Leid zugefügt haben, eines Tages diejenigen werden würden, die für Stabilität in Europa und in der Welt sorgen würden. Dass wir Europäer, die wir so manches böse Spiel mit Demokratie und Menschenrechten getrieben haben, plötzlich die Botschafter von Demokratie und Menschenrechten werden würden.
Und es stand nicht in europäischen Geschichtsbüchern für die Zukunft aufgeschrieben, dass wir die eigentlichen Friedensmacher dieser Welt eines Tages werden würden. Und das sind wir geworden. Und an diesen europäischen Erfolgen hat Javier Solana selbstverständlich einen Riesenanteil.
Er ist, ich habe dies eingangs gesagt, ein großer Spanier, und er ist ein großer Europäer, der sein Amt, das eigentlich leer war, als er es übernahm, mit Inhalt gefüllt hat. Er hat seiner Aufgabe den Stoff gegeben aus dem Zukunftsprogramme gemacht werden.
Als er in sein Amt eingeführt wurde, von müdem Lächeln vieler Beobachter begleitet, weil über keine Instrumente verfügend, und weil über keinen geordneten Einfluss in der Europäischen Union verfügend, hat er perspektivisch gesagt: "Ich werde dieses Amt erst verlassen, wenn europäische Außenpolitik unumkehrbar geworden ist." Sie ist Dank seiner Arbeit unumkehrbar geworden.
Trotzdem darf er nicht gehen, er muss bleiben. Er muss bleiben, weil wir ihn brauchen. Und weil wir ihn brauchen, und weil er uns selbst dauernd zeigt, wie sehr wir ihn brauchen, ist er auch ein würdiger Karlspreisträger des Jahres 2007.
Die Gründungsväter des Karlspreises haben erklärt, als der Karlspreis aus der Taufe gehoben wurde, er würde an Architekten und an Hoffnungsträger verliehen, entweder oder. Im Falle Solana wird der Karlspreis an einen Architekten verliehen, in den viele Menschen dieser Welt ihre Hoffnung setzen, und an einen Hoffnungsträger, der auf ein sehr beachtliches architektonisches Werk in Europa und in der Welt zurückblicken kann.
Bravo, Javier, Du hast diesen Preis verdient. Wir gratulieren herzlichst.