Sehr verehrte Preisträgerin, liebe Gro, Exzellenzen, meine Damen und Herren!
Vor zwanzig Jahren wurde Gro Hartem Brundtland in Norwegen Umweltministerin. Schon bald lernte ich - seinerzeit Minister für Wirtschaft und damit auch für Energie zuständig - sie persönlich kennen, als sie die Niederlande besuchte, die sich damals schon auf dem Gebiet des Umweltschutzes einen Namen gemacht hatten. Wir waren etwa im gleichen Alter, wobei allerdings die siebzehn Tage, die sie älter ist, ihr was Weisheit und Erfahrung betrifft - für immer einen Vorsprung gesichert haben dürften. Wenig später lud sie mich und einige Kollegen anläßlich einer schweren Erdölkatastrophe in der Nordsee ein, nach Norwegen zu kommen. Auch damals fiel mir auf, wie resolut, kreativ und diplomatisch die Kollegin Brundtland jene Konferenz leitete. Für uns war es der Anfang einer langen Freundschaft - später beide einige Zeit als Parlamentarier und dann als Ministerpräsidenten unserer Länder.
Mit großer Bewunderung habe ich von den Tätigkeiten Gro Harlem Brundtlands als Vorsitzende des Umweltausschusses der Vereinten Nationen Notiz genommen; dort wurde das inzwischen berühmt gewordene Konzept des umweltgerechten und dauerhaften Wachstums entwickelt. Bekanntlich wird im Brundtland-Bericht der Entwicklung neuer Techniken sehr große Bedeutung beigemessen; gerade so soll der Schädigung der Umwelt Einhalt geboten und ein dauerhaftes Wachstum ermöglicht werden. Ich schulde meiner Kollegin auch Dank dafür, daß sie im März 1989 bereit war, nach Den Haag zu kommen, um an der Haager Erklärung mitzuarbeiten, die sozusagen der Auftakt zur Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung UNCED in Rio de Janeiro war. Auch hier sind wir noch längst nicht am Ziel. Frau Brundtland und ich werden uns sicherlich auch künftig energisch dafür einsetzen, daß auf diesem Gebiet die erforderlichen Anstrengungen unternommen werden.
Die Internationale Umweltpolitik ist nur eine der vielen Facetten der außergewöhnliche Karriere Frau Brundtlands, die sie überall in der Welt bekannt und beliebt gemacht haben. Eine Frau, die sich für ihre Ideen einsetzt, von ihren Idealen überzeugt ist, gleichzeitig aber Politikerin genug ist, um zu wissen, daß wesentliche Verbesserungen häufig Zeit kosten. Eine waschechte Demokratin mit sozialem Bewußtsein - integer, aber auch zielstrebig und effizient. Kurzum: eine Politikerin und - wenn Sie mir das Wort erlauben Staatsfrau ersten Ranges, die viel für das Ansehen der Politik sowohl in Norwegen als auch außerhalb Norwegens getan hat. Damit ist sie auch ein gutes Beispiel dafür, welch herausragende Rolle Frauen in der Politik spielen können. Dies nicht nur aufgrund ihrer eigenen Leistungen - die sprechen für sich selbst - sondern auch, weil es ihr gelungen ist, getreu ihrer Überzeugung in all ihren verschiedenen Kabinetten wichtige Positionen mit Frauen zu besetzen. Auch dafür gebührt ihr Anerkennung.
Die Einladung, hier nach Aachen zu kommen, um dieses Jahr die Laudatio zu halten, habe ich gerne angenommen. In der Stadt Karls des Großen ist mir dies eine besondere Ehre. Vermutlich wissen nicht viele unter Ihnen, daß Karl der Große am treuesten von den Friesen unterstützt wurde. Sie waren damals durchaus kein kleines Volk; ihr Gebiet reichte vom heutigen Nordfrankreich bis in die Gegend von Bremen. Karl der Große - und damit Aachen - symbolisiert natürlich Europa. Aachen steht eindeutig auch für das größere Europa, das für uns alle ein gemeinsames kulturelles Erbe, geprägt von Christentum und Humanismus, darstellt. Ein Europa, in dem die durch unsere gemeinsame Geschichte geschlagenen Wunden noch nicht ganz verheilt sind, das aber immer mehr Gestalt annimmt.
Es ist gut, hier in Aachen zu sein, und es ist gut, hier in Deutschland zu sein. In der Zeit Karls des Großen - ich erwähnte die Friesen bereits - waren die Niederlande und Deutschland durchaus Teile eines politischen und kulturellen Ganzen; und bis zum heutigen Tage ist die Verwandtschaft unserer Sprachen meines Erachtens entscheidend für die Verwandtschaft unserer Kulturen. Verwandtschaft von Sprache und Kultur kennt keine künstlichen Grenzen. Daß ich diese Laudatio im vereinigten Deutschland halten darf, ist ein überzeugender Beweis für die Richtigkeit dieser Feststellung.
Ich erinnere mich noch sehr gut des persönlichen Mutes und Geschicks Bundeskanzler Helmut Kohls, im richtigen Augenblick das zu tun, was für die Einigung Deutschlands notwendig war. Auch in jener Zeit stand ich an seiner Seite. Auch für mich bestand kein Zweifel daran, daß sich eine historische Chance bot, eine der schwersten Wunden des Zweiten Weltkriegs endgültig zu heilen. Es ist das historische Verdienst Helmut Kohls, daß er im richtigen Augenblick den Entwicklungen Rechnung getragen und mit Erfolg in sie eingegriffen hat. Weitblick zeichnet den Staatsmann aus.
Es ist auch Helmut Kohls Verdienst - und das Jacques Delors' -, daß die deutsche Einigung ausdrücklich im europäischen Rahmen erfolgte und damit de facto den Anstoß zu einer Verstärkung der politischen Finalität dessen gegeben hat, was heute die Europäische Union ist.
Im letzten Jahr erhielt Felipe González hier in Aachen den Karlspreis. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich Mitte der achtziger Jahre - auch wegen unserer Freundschaft zu ihm und mit großem Respekt vor seiner Person - im Europäischen Rat und auch außerhalb dieses Gremiums dafür geworben habe. Spanien und Portugal in die Staatengemeinschaft aufzunehmen, die damals noch Europäische Gemeinschaft hieß. Nachdem dort die Demokratie gesiegt hatte, war es für mich überdeutlich, daß Europa seinen kulturellen und geschichtlichen Auftrag ohne Spanien und Portugal nicht würde erfüllen können; ebensowenig wie Spanien und Portugal ohne Europa würden auskommen können. Diese Erweiterung der Gemeinschaft war ein Erfolg.
Genauso habe ich dann später meinen Freunden aus den romanischen Ländern - in Italien, in Spanien und in Portugal – klargemacht, daß Europa auch nicht ohne Skandinavien und Österreich auskommen kann. Der Fall des Kommunismus hat nicht nur die Einigung Deutschlands ermöglicht, sondern auch den Beitritt dieser Länder zur Europäischen Union.
Nachdem schon vor einigen Jahren unter der niederländischen Präsidentschaft das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zustande gekommen war, hat das heutige Europäische Parlament am Ende schwieriger Verhandlungen in seiner letzten Sitzung mit überwältigender Mehrheit die Beitrittsverträge gebilligt. Dies war kein einfacher Prozeß. Viele haben hierfür enorme Anstrengungen unternommen - sowohl innerhalb der Union als auch in allen Beitrittsländern. Die griechische Präsidentschaft verdient höchstes Lob für den erfolgreichen
Abschluß der Verhandlungen und die künftige deutsche Präsidentschaft für ihre unablässigen Bemühungen, die wegen der verhärteten Positionen festgefahrenen Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Diese gemeinsamen Anstrengungen heutiger und künftiger Mitgliedsstaaten sollten ihre Krönung in erfolgreichen Volksabstimmungen in allen Beitrittsländern finden.
Ich freue mich, hier eine Laudatio auf die Ministerpräsidentin eines der vier Länder halten zu dürfen, die unser Europa künftig verstärken werden. Ein Europa, das jetzt wirklich vom Nordkap bis nach Gibraltar reicht. Und so muß es auch sein. So gestalten wir friedlich Schritt für Schritt unser Europa. Sicher, das Werk ist noch längst nicht vollendet. In Mittel- und Osteuropa ist die Einigung Europas ganz gewiß noch nicht abgeschlossen. Und doch machen wir gute Fortschritte.
Es darf aber nicht nur um eine Erweiterung gehen, es bedarf auch einer Vertiefung. Der Prozeß der Vertiefung der Union steht auf der Tagesordnung obenan. Die Regierungskonferenz von 1996 ist kein "blind date" oder eine unverbindliche Verabredung. Das Jahr 1996 steht vor der Tür.
Es ist jetzt die Aufgabe aller Mitgliedsstaaten, der alten wie der neuen, auf diese Konferenz hinzuarbeiten, um sicherzustellen, daß die erweiterte Union lebens- und handlungsfähig ist. Eine Union, die auf einem soliden demokratischen Fundament steht, Organe, mit denen sich auch unter der Perspektive einer neuerlichen Erweiterung arbeiten läßt, eine effiziente und bürgernahe Verwaltung, Vorschriften, die voll und ganz dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen, und eine praktische Umsetzung ohne rote Teppiche und überflüssige Bürokratie.
Aber dazu bedarf es auch einer Union, deren institutionelle Struktur den Herausforderungen des nächsten Jahrhunderts entspricht. Dorthin ist noch ein langer Weg: es gilt dabei, ein Gleichgewicht zwischen Vision und Umsicht im praktischen Handeln herzustellen. Heute schon klopfen neue Mitgliedsstaaten an die Tür der Union, noch bevor die letzte Erweiterung formell Gestalt angenommen hat. Unsere eigene Union auf die Perspektive einer neuerlichen Erweiterung vorzubereiten, bedeutet gleichzeitig, Beitrittskandidaten in Mittel- und Osteuropa zu helfen, sich selbst auf die Perspektive eines Beitritts zur Union vorzubereiten. De facto geht es darum, innerhalb der Union und in den mittel”” und osteuropäischen Ländern selbst Bedingungen zu schaffen, die einen künftigen Beitritt dieser Länder erleichtern. Die Assoziierungsabkommen neuen Stils, die sogenannten Europaverträge, bieten bereits gute Möglichkeiten, einer solchen allmählichen Integration Gestalt zu verleihen. Eine weitgehende Liberalisierung des Handels, ein freier Zahlungsverkehr, eine beträchtliche Verbesserung des Dienstleistungsverkehrs und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Finanzen und der Wirtschaft, ein Dialog auf dem Gebiet der Politik und der Kultur - dies alles sind Beispiele für eine zunehmende Integration und Kooperation. Es ist erstaunlich, was in mitteleuropäischen Ländern heute schon geleistet wird. Die Regierung und die Menschen dort verdienen daher unsere Unterstützung und unsere Anerkennung.
Die bisher erzielten Fortschritte entsprechen aber noch nicht den Erwartungen in diesen Ländern, die erst seit kurzem eine auf den Prinzipien der Demokratie und der freien Marktwirtschaft beruhende Struktur haben. Es müssen daher auch besondere Anstrengungen auf dem Gebiet des Handels, der Finanzen und der Wirtschaft wie auch auf dem Gebiet der Politik unternommen werden.
Mittel- und Osteuropa müssen auch schon am Geschehen in der europäischen Familie beteiligt werden, bevor der formelle Beitritt vollzogen ist. Das bedeutet, daß sie Schritt für Schritt besseren Zugang zu den Märkten auch in den Sektoren erhalten müssen, die in der Union als problematisch gelten. Der Export der mittel- und osteuropäischen Länder muß wachsen. Das schafft mehr Wohlstand und trägt zur Stabilisierung bei. Und so eröffnen sich reelle Beitrittsperspektiven. Dies erfordert auch weitere Anstrengungen bei der makroökonomischen Unterstützung und bei Strukturanpassungen. Und das bedeutet zugleich eine weitere inhaltliche Ausgestaltung der politischen Zusammenarbeit, wie sie auch der Bundeskanzler vorgeschlagen hat.
Die weitere institutionelle und geopolitische Entwicklung der Union darf unsere Aufmerksamkeit allerdings nicht von den konkreteren Problemen weglenken, mit denen die Union und ihre Bürger heutzutage zu kämpfen haben. Die Liste der Themen, die den Bürgern wichtig sind, muß weitgehend auch die Tagesordnung der Union sein. Höchste Priorität muß das Beschäftigungsproblem haben. Mit dem Weißbuch wurde der Beschäftigung, dem Wachstum und der Wettbewerbsfähigkeit ein Spitzenplatz auf der politischen Tagesordnung eingeräumt. Dies muß so bleiben. Vom Europäischen Rat müssen die so dringend erforderlichen Impulse ausgehen, damit unsere Länder auch die strukturellen Probleme konzertiert in Angriff nehmen können. Das Aktionsprogramm des letzten Europäischen Rats in Brüssel muß umgesetzt werden, darf nicht in den administrativen Mühlen von Sektor- und Teilbelangen verschwinden. Die Europäische Union hat gegenüber den Bürgern auch dort eine besondere Verantwortung, wo es um die wachsende Unsicherheit über das Beschäftigungsangebot geht. Dieses Gefühl der Unsicherheit beobachten wir auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Kriminalität. Und die hängt wiederum in hohem Maße mit anderen gesellschaftlichen Problemen zusammen, durch die Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ich denke hier an Suchtprobleme, allerdings nicht nur an das Drogenproblem: an Kriminalität, die längst schon nicht mehr an Grenzen halt macht und deren Bekämpfung den Verteidigern unseres Rechtsstaats einiges abverlangt. Ein ebenso großer Druck geht vom Problem der überhandnehmenden Zuwanderung aus den uns umringenden Ländern aus. Die Unterscheidung echter Asylbewerber von illegalen Einwanderern ist ein heikles Problem. Das zunehmend auf europäischer Ebene angegangen werden muß.
Der Vertrag von Maastricht bietet die erforderlichen Ansatzpunkte und Instrumente für ein gemeinsames Vorgehen auf dem Gebiet der Schwerkriminalität, der Drogen, des Asyls und der illegalen Zuwanderung. Dies alles sind Fragen, die die künftige deutsche Präsidentschaft an die Spitze der Tagesordnung für das zweite Halbjahr gesetzt hat.
Es mag so scheinen, als hätten wir es hier mit Problemen rein verwaltungstechnischer Art zu tun; tatsächlich geht es natürlich um viel mehr.
Ob es sich nun um die Kriminalität oder um die Integrität der Verwaltungkämpfung der Korruption handelt, ob es darum geht, allen europäischen Bürgern Chancen zu eröffnen, oder um die Schutzwürdigkeit des Lebens - letztlich geht es um die Notwendigkeit, den aus Christentum und Humanismus abgeleiteten Ideen und Werten, welche die Geschichte der europäischen Zivilisation geprägt haben, wieder einen zeitgemäßen Inhalt zu geben. Empfinden wir wirklich nicht das Bedürfnis, all jene Grundwerte, die explizit oder implizit in den Verfassungen unserer Länder beschrieben sind, in einer verbindlichen Charta für ganz Europa zu verankern? In einer Art Moralkodex für die europäischen Bürger, in dem die Ideen und Werte definiert und erläutern werden, auf denen die Union basiert? Mir ist durchaus bewußt, daß viele dieser Werte auch jetzt schon durch die Arbeit des Europarats zu ihrem Recht kommen. Aber es wäre gut, den Zusammenhang zu sehen, der hier mit unserer Arbeit, der Tätigkeit der Europäischen Union also, besteht. Es darf nicht so sein, daß die Europäische Union lediglich als verwa1tungstechnischer Rahmen für dasjenige empfunden wird, was nun einmal - unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips - auf europäischer Ebene geschehen muß. Das Grundkonzept Europas besagt ja, daß wir außer einer guten, demokratisch kontrollierten Verwaltung auf allen Ebenen - also von den Ländern bis hin zu Brüssel und Straßburg - auch eine verantwortungsbewußte Gesellschaft und verantwortungsbewußte Bürger brauchen. Das heißt doch, daß unser Europa mehr beinhalten muß als Technik und Effizienz, daß es dabei auch um eine Kultur oder - wenn Sie so wollen - um eine moralische Aufgabe gehen muß; eine moralische Aufgabe, die sich auf den Menschen, auf alle Menschen und auf die Natur, auf die Schöpfung bezieht.
Wenn wir diese moralische Aufgabe in unserem eigenen Europa als für dieses unser Europa geltend verstehen wollen, werden wir sicherlich in der Lage sein, dafür zu sorgen, daß unser Europa weltweit die ihm zukommende Rolle spielt und dabei mit allen Völkern zusammenarbeitet. Und damit bin ich beim zweiten wichtigen Kapitel des Vertrags von Maastricht: bei der Außen- und Sicherheitspolitik.
Was nur ganz besonders auffällt, ist das Ausmaß, in dem die unterschiedlichen Traditionen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik gerade nach der Erweiterung der Europäischen Union und die vier neuen Mitgliedsstaaten noch deutlicher sichtbar geworden sind. Fast jeder Mitgliedsstaat hat im Lichte der europäischen Geschichte dieses Jahrhunderts auf diesem Gebiet seine eigene Tradition. Meines Erachtens geht es darum, diese Traditionen zu respektieren, gleichzeitig aber miteinander zu prüfen, wo unsere gemeinsame moralische und politische Aufgabe liegt. Es ist deutlich, daß weiterhin Bedarf an einer Nordatlantischen Vertragsorganisation besteht. Ebenso deutlich ist aber, daß die Aufgabe dieser Organisation viel mehr als früher in der Bereitschaft besteht, sich an Friedensmissionen zu beteiligen - nicht um Krieg zu führen, sondern um Gewalt möglichst zu verhindern und dort, wo sie angewendet wird, einzudämmen. Das setzt Glaubwürdigkeit voraus, die auf Autorität beruht. Eine Autorität, die ohne Macht nicht auskommt, aber auch nicht ohne Legitimität. Und hier liegt auch die gewachsene Bedeutung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Es ist sehr interessant, festzustellen, daß Länder wie Finnland, Schweden und Irland in diesem Sinne sicherlich nicht als neutral gelten dürfen; sie sind gerade nicht neutral, wenn sie einen Beitrag zum Abbau von Spannungen anderswo in der Welt leisten wollen.
Es ist deutlich, daß ein Land wie Frankreich - mit Recht - nach wie vor eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Verwirklichung der europäischen Verteidigungsidentität spielen wird. Hier können wir Frankreich nicht entbehren. Und es ist genauso deutlich, daß auch Deutschland auf dem Weg ins nächste Jahrtausend die Rolle übernehmen wird, die es auf jeden Fall spielen muß; dies bedeutet, in Form der Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat Anteil an der Legitimität zu haben.
Das Thema dieser Laudatio kann natürlich nicht die künftige Außen- und Sicherheitspolitik sein. Ich möchte hier nur festhalten, daß wir auf diesem Gebiet mit ebensoviel Geduld wie Beharrlichkeit daran arbeiten müssen, daß unsere bisherigen Traditionen allmählich in eine gemeinsame Linie für die Zukunft einmünden.
Sehr verehrte Frau Brundtland, liebe Gro, ich bin in dieser Dir gewidmeten Laudatio recht intensiv auf unsere Europäische Union eingegangen. Ich weiß, wie sehr Dir dieses Thema am Herzen liegt; es gibt allerdings noch einen besonderen Grund für meine Themenwahl. War es nicht während der Winterspiele in Lillehammer, als Du mich ausdrücklich auffordertest, mich für die Nachfolge Jacques Delors' zur Verfügung zu stellen? Vorangegangen war Dir schon Felipe González. Nun. Delors soll einmal gesagt haben, der ideale Europäer müsse in jedem Fall das Lächeln Brundtlands und die Augen Felipe González' haben. Und so wirst Du verstehen, warum ich meinem Stolz und meiner Genugtuung darüber Ausdruck verliehen habe, daß die Europäische Union jetzt vom Nordkap bis nach Gibraltar reicht. Ich möchte aber auch meine guten Freunde anderswo einbeziehen; von Albert Reynolds in Irland, wo die keltische Tradition in Ehren gehalten wird, bis zu Franz Vranitzky in Wien; vom Süden bis zum Norden, vom Westen bis zum Osten und meinethalben, wenn die Zeit dafür reif ist, noch darüber hinaus.
Gro, meine Glückwünsche zu diesem wundervollen Preis! Möge er ein Ansporn für Dich sein, in der Tradition der Karlspreisträger an unserem Europa weiterzuarbeiten!
Ich danke Ihnen!