Modell Europäische Union ist eine Simulation des Mitentscheidungsverfahrens zwischen den EU-Organen Europäisches Parlament, Ministerrat und Europäische Kommission. Die Simulation findet im Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg statt und steht 180 jungen Europäern zwischen 18 und 30 Jahren offen, die daran interessiert sind, die Arbeitsweise der EU besser zu verstehen. Eine Woche lang diskutieren die Teilnehmer in der Rolle von Ratsministern, Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Journalisten, Lobbyisten oder Dolmetschern über zwei Gesetzesvorlagen. Eine davon betrifft genetisch veränderte Organismen, die andere ist die sogenannte Rückführungsrichtlinie, bei der es um die Zuwanderung in den Raum der Gemeinschaft geht. Auf diese Weise erfahren sie aus erster Hand, wie die speziellen demokratischen Verfahren der Europäischen Union vonstattengehen. Allgemeine Ziele der Simulation sind die Förderung der Kenntnisse und der Begeisterung über die europäische Integration sowie die Entwicklung interkultureller Kommunikationsfähigkeiten, da die Partner aus fast allen 27 Mitgliedstaaten der Union sowie aus Liechtenstein, Island, Norwegen und der Türkei kommen. Konkret werden mit dem Projekt vier Ziele verfolgt:
- Durch informelles Lernen, für uns in diesem Fall die wirksamste Methode für das Verstehen der Bedeutung und der Folgen der Mitentscheidung für die EU, sollen die Teilnehmer lernen, wie dieses Verfahren wirklich funktioniert, weil es selbst für die, die sich eingehend damit befassen, schwer zu begreifen ist.
- Die Teilnehmer sollen Kompetenzen und neue Sichtweisen auf EU-Themen entwickeln. Die Konferenz ist so konzipiert, dass sie den Teilnehmern die Fähigkeit abverlangt, sich in die Lage des anderen zu versetzen und in der Öffentlichkeit das Wort zu ergreifen, um die eigene Position darzulegen und unter Druck in einer Sprache zu argumentieren, die in der Regel nicht die eigene Muttersprache ist.
- Die Teilnehmer arbeiten in einem internationalen Umfeld und sehen sich darüber hinaus „gezwungen”, andere Länder und Kulturen zu erforschen, mit Menschen, die einen anderen Hintergrund haben, zusammenzuarbeiten und zu verhandeln; dabei entwickeln sie Gefühle wie Toleranz und Verständnis für die europäische Vielfalt und lernen mit der Zeit, ihren eigenen Platz in diesem Umfeld zu finden und ihre europäische Identität zu entdecken.
- Nach der Teilnahme an der Simulation dürften sich die Teilnehmer ermutigt fühlen, stärker als bisher aktiv an verschiedenen Maßnahmen auf europäischer Ebene mitzuwirken, die der Weiterentwicklung von Führungskompetenzen und Teamfähigkeit sowie der Projektentwicklung und -umsetzung dienen. Ein gutes Beispiel für solche Erfolge ist das MEU 2010-Organisationsteam, das größtenteils aus Teilnehmern von MEU 2009 besteht, die der Bringing Europeans Together Association e.V. beigetreten sind (BETA), einer politisch unabhängigen gemeinnützigen Vereinigung, gegründet 2009 von einer Gruppe von Hochschulstudenten, die an früheren MEU-Runden teilgenommen hatten.
Um diese Ziele zu erreichen, wird jeder Teilnehmer schon frühzeitig unterrichtet, welche Rolle er bei der Simulation übernehmen soll, damit er dementsprechend seinen Standpunkt vorbereiten, Positionspapiere oder einen Untersuchungsbericht verfassen oder aber einen Zeitungsartikel schreiben kann. Die zu erörternden Themen zwingen beispielsweise die „Minister“, die von „ihrem” Land vertretenen Positionen in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Landwirtschaft, Inneres und Sicherheit sowie Sozialpolitik umfassend zu rechercheiren. Die „EP-Mitglieder” wiederum sollten sich mit den Positionen „ihrer“ Partei im jeweiligen Land auskennen. Der erste Tag der Simulation wird aus Workshops bestehen, die von Experten für die zu behandelnden Themen geleitet werden, damit die Teilnehmer einen letzten facettenreichen Überblick zu den beiden Themenfeldern und den vorhandenen Verhandlungsmöglichkeiten gewinnen. In anderen Workshops werden die Geschäftsordnung des Rates und des Parlaments behandelt und die rhetorischen Fähigkeiten und die Argumentationstechnik der Teilnehmer geschult. Die Journalisten, Lobbyisten und Dolmetscher besuchen außerdem einen Workshop eines „Berufskollegen“, der sie ausführlich über die üblichen Vorgehensweisen informiert und gewonnene Eindrücke an sie weitergibt, damit sie sich ein besseres Bild von ihren Aufgaben machen können. Die Teilnehmer, die in die Rolle von Lobbyisten schlüpfen, werden verschiedene Interessengruppen mit unterschiedlichen und manchmal gegensätzlichen Zielen vertreten. Sie werden während der Simulation Einfluss auf die Beschlussfassung nehmen, indem sie an die MdEP, die Minister und die Presse Informationen übermitteln und so versuchen, diese dazu zu bewegen, sich der Position der von ihnen vertretenen Gruppe anzuschließen. Die Journalisten werden über die Verhandlungen berichten. Sie kommen von verschiedenen Zeitungen unterschiedlicher politischer Schattierung. Da die Journalisten über den Stand der Aussprachen auf dem Laufenden sein müssen, dürfen sie an den Sitzungen im Parlament teilnehmen, aber nicht an den Sitzungen des Rates, da diese so wie im wirklichen Leben für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Den Journalisten bleibt daher nur übrig, die täglichen Pressekonferenzen zu besuchen und zu versuchen, während der Pausen das eine oder andere Interview mit einem Minister zu führen. Bei der Simulation werden die Dolmetscher die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten während der Parlamentssitzungen zu schulen. Sie werden aus dem Englischen, der Amtssprache der Konferenz, in fünf andere Sprachen dolmetschen (in welche, ist noch nicht klar, da die Sprachen bevorzugt werden sollen, die unter den Teilnehmern am häufigsten vertreten sind). Parallel zur Simulation findet ein vielfältiges Begleitprogramm rund um die Stadt Straßburg statt, bei dem die Teilnehmer ihre kulturelle Vielfalt und ihre gemeinsamen Interessen entdecken können. Dazu gehören ein Europäisches Picknick, zu dem die Teilnehmer Spezialitäten aus ihrem Land mitbringen sollen, die dann gemeinsam verzehrt werden, verschiedene Rundgänge und Bootsfahrten durch die Stadt am Tage und in der Nacht, eine Cocktail-Party, bei der sie die Gelegenheit haben, ihre Fähigkeiten zum Aufbau von Kontakten auszubauen, indem sie ihre Rollen auf einen sozialen Kontext ausweiten (obligatorisch), und verschiedene weitere Maßnahmen zur Förderung von Austausch und Integration. Von der Raumzuordnung bis zur Rollenverteilung ist die ganze Konferenz darauf ausgerichtet, diesen Austauscheffekt zu optimieren. Am letzten Tag erfolgt eine Bewertung der Ergebnisse der Arbeit der Teilnehmer während der Simulation. Auf einer Podiumsdiskussion werden mit MdEP die vorliegenden Themen sowie allgemeinere Fragen im Zusammenhang mit der EU und ihrer Arbeit erörtert. Auf einer Partnermesse haben alle Partner und Unterstützer des Projekts Gelegenheit, sich den Teilnehmern vorzustellen und sie zu ermutigen, auf europäischer Ebene aktiv (bzw. noch aktiver) zu werden, sich mit anderen Partnern und Unterstützern zu vernetzen und vielleicht sogar gemeinsam Projekte in Angriff zu nehmen.
(Der vorstehende Text gibt die von den Projektträgern selbst erstellte Zusammenfassung ihres Wettbewerbsbeitrags zum Europäischen Jugendkarlspreis 2010 wieder.)