3. Preis: Diplomaten in Gummistiefeln (Deutschland)

3. Preis: Diplomaten in Gummistiefeln (Deutschland)

„Oberkante Unterlippe” ist ein mehrdeutiger Titel für ein ökologisch basiertes Unternehmen praktischen und forschenden Lernens, bei dem Jugendliche aus Holland, Polen und Ungarn gemeinsam mit ihren Soester Gastgebern an einem Thema von globaler politischer Dimension arbeiten. „Oberkante Unterlippe” sagt uns alltagssprachlich, dass das Maß voll und das Fass kurz vor dem Überlaufen ist – gemeint ist die zunehmende Hochwasser- und Flutgefahr gerade in den dicht besiedelten mitteleuropäischen Kulturräumen, in denen industrieller Fortschritt zur vermeintlichen Zähmung natürlicher Fließwasserverläufe geführt hat. „Oberkante Unterlippe” ist aber auch gleichzeitig die Bezeichnung für die konkrete regionalräumliche Studie an diesem Nebenfluss des Rheins. Das Projekt bearbeitet die politische Herausforderung des Hochwasserschutzes als demokratische Herausforderung der Kommune und als grenzüberschreitende Aufgabe. Im Sommer der Sintfluten 2007 wurde uns wieder einmal deutlich vor Augen geführt, dass Hochwasserschutz eine dringende Maßnahme sein muss, damit das Leben an Flüssen bei Unwetterperioden nicht von ständiger Angst vor Überflutungen bestimmt wird.

Da die Menschen die Hauptverursacher des Klimawandels und somit der damit verbundenen Hochwasserproblematik sind, ist es unsere Pflicht, Maßnahmen zur Behebung dieser Probleme zu finden. Da wir unsere Beobachtungen im Hinblick auf die Hochwasserproblematik nicht nur als lokales Problem betrachten, haben wir Jugendliche aus unseren Partnerstädten Strzelce Opolskie (PL), Sárospatak (H) und Kampen (NL) über unsere Untersuchungsergebnisse an der Lippe informiert und sie eingeladen, mit uns konkret vor Ort über diese Thematik zu diskutieren, da Natur- und Umweltschutz keine Grenzen kennen. Die Probleme müssen grenzübergreifend analysiert und Maßnahmen grenzüberschreitend entwickelt werden. Sie haben daraufhin in ihren Heimatländern an der Oder in der Nähe von Strzelce Opolskie, am Bodrog in Sárospatak und an der Ijssel in Kampen vergleichbare Untersuchungen zur Hochwassersituation durchgeführt, die wir dann als Vergleichspunkte für unsere gemeinsame Forschung in den renaturierten Lippeaueabschnitten benutzen konnten.

Im Herbst 2007 haben wir uns dann in der internationalen Arbeitsgruppe an der Lippe getroffen und gemeinsam ökologisch-biologische Feldstudien durchgeführt. „Gibt es lokale Antworten auf globale Probleme?”, so formulierten wir dann die leitende Projektidee, bei der Handeln vor Ort sich mit gesellschaftlichen Aufgaben globaler Dimension verbindet. Es soll nicht nur gezeigt werden, dass die Folgen der Globalisierung immer auch lokal auftreten und die Menschen im Einzelnen betreffen. Vor allem soll nach Handlungskorridoren für demokratisches und zivilgesellschaftliches Engagement gesucht werden: Nicht Resignation angesichts einer scheinbar machtlosen Globalisierung, sondern Ermunterung zur Beteiligung und zum Engagement sind Zielperspektiven unseres Projektes. Der gemeinsame Fokus der Hochwassergefahr verbindet die beteiligten Schulorte überdies über die Schulpartnerschaft hinaus im Feld des verhandelten Themas. Nach der gegenseitigen Vorstellung der ortsnahen ökologischen Untersuchungen haben wir dann 10 Tage die Lippeauen auf nachweisbare Erfolge der dort erfolgten Renaturierung erforscht. Wir haben dabei gemischtnationale Untergruppen gebildet, die auf einzelne Themenbereiche wie Wasseranalysen, Untersuchungen der Flora und Fauna, aber auch zeichnerische und schauspielerische Darstellung der Situation und Umwelt genauer eingehen. Biologische Expertisen werden mit kreativ-medialer Bearbeitung und Vermittlung der Ergebnisse verbunden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass die Renaturierung der Lippe erfolgreich ist, indem die neu kultivierte natürliche Flora und Fauna die Situation bei kleinen und mittleren Hochwassern positiv beeinflusst. – Sie zeigen allerdings auch, dass die Folgen der Klimaerwärmung in der Bioindikation der Lipperegion nachweisbar sind. Zum Abschluss des Projektes haben wir eine Podiumsdiskussion mit Entscheidungsträgern und Projektteilnehmern organisiert. Schließlich haben wir die praktischen Ergebnisse und einen Forderungskatalog zum politisch-ökologischen Handeln in allen beteiligten Ländern an die zuständigen Parlamente und Minister versandt. Über den EU-Abgeordneten Dr. Peter Liese, der auch an der Podiumsdiskussion teilnahm, werden auch das Europaparlament und der zuständige EU-Kommissar informiert.

Hohe fachliche Anerkennung erhielt das Projekt mit dem Umweltpreis des Landes NRW, der über den Wettbewerb „Jugend forscht” ausgelobt wurde, bei dem einige unserer Teilnehmer das Projekt vorgestellt haben. Zurzeit sind wir in der Vorbereitung der Fortsetzung des Projektes, die wir im Herbst 2009 in den Niederlanden unter dem Titel „Auswirkungen des Klimawandels am Beispiel der Niederlande” (Arbeitstitel) unter der Leitung unserer niederländischen Freunde durchführen. Daran werden Jugendliche aus 5 Nationen teilnehmen (NL, PL, H, S und D). Es ist dann unser 15. gemeinsames Europaprojekt.




(Der vorstehende Text gibt die von den Projektträgern selbst erstellte Zusammenfassung ihres Wettbewerbsbeitrags zum Europäischen Jugendkarlspreis 2009 wieder.)